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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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war es wahr. Aber er schien nicht im geringsten geschmeichelt. Nein, mein Lieber. Er war entsetzt. Um mich loszuwerden, schrieb er ein paar Zeilen an die Leute von der Heilsarmee: «Dorthin müssen Sie sich wenden», sagte er und drehte mir schroff den Rücken zu, um sich seinen Schäfchen zu widmen.
    Die Heilsarmee hatte uns natürlich nichts zu bieten. Hätten wir jeder einen Vierteldollar gehabt, dann hätten wir eine Matratze auf dem Fußboden mieten können. Aber wir besaßen zusammen nicht einmal zehn Cents. Wir gingen in den Stadtpark und streckten uns auf einer Bank aus. Es regnete, und deshalb deckten wir uns mit Zeitungen zu. Wir lagen wohl nicht viel länger als eine halbe Stunde dort, als ein Polyp daherkam und uns ohne ein Wort der Warnung einen Tüchtigen überzog, so daß wir im Nu hoch und auf den Beinen waren und einen kleinen Tanz aufführten, wenn uns auch nicht nach Tanzen zumute war. Ich fühlte mich so verdammt niedergeschlagen und elend, so unglücklich, so lausig, nachdem mir dieser halbidiotische Saukerl eins über den Hintern gezogen hatte, daß ich das Rathaus hätte in die Luft sprengen können.
    Am nächsten Morgen erschienen wir, um diesen gastfreundlichen Hurensöhnen eins auszuwischen, munter und frühzeitig an der Tür eines katholischen Pfarrers. Diesmal ließ ich Joe das Wort ergreifen. Er war Ire und sprach ein wenig irischen Dialekt. Auch hatte er sehr sanfte blaue Augen und konnte sie ein wenig tränen lassen, wenn er wollte. Eine Nonne in Schwarz öffnete uns die Tür, forderte uns jedoch nicht auf, hereinzukommen. Wir sollten im Vorraum warten, bis sie den geistlichen Herrn holte. Nach ein paar Minuten kam er, der geistliche Herr, schnaufend wie eine Lokomotive. Was wollten wir, daß wir jemand wie ihn so früh am Morgen störten? Etwas zu essen und eine Klappe zum Hineinhauen, sagten wir unschuldig. Und wo stammten wir her? – wollte der geistliche Herr sofort wissen. Aus New York. Aus New York, was? Dann geht besser so rasch ihr könnt dorthin zurück, meine Lieben – und ohne ein weiteres Wort schlug uns der große, gedunsene, rübengesichtige Schuft die Tür vor der Nase zu. Eine Stunde später, während wir hilflos wie zwei betrunkene Schoner herumkreuzten, kamen wir zufällig wieder am Pfarrhaus vorbei. So wahr mir Gott helfe, die große, geil aussehende Rübe kam in einer Limousine aus dem Zufahrtsweg herausgefahren! Im Vorbeifahren blies er uns eine Wolke Tabaksrauch in die Augen, so als wollte er sagen: ‹ Das für euch!› Es war eine schöne Limousine mit zwei Reservereifen hinten drauf, und der geistliche Herr saß mit einer großen Zigarre im Mund am Steuer. Es muß eine Corona-Corona gewesen sein, so dick und köstlich sah sie aus. Er saß bequem, darüber gab’s keinen Zweifel. Ich konnte nicht sehen, ob er einen Priesterrock anhatte oder nicht. Ich konnte nur das Bratenfett von seinen Lippen triefen sehen und die dicke Zigarre mit ihrem Fünfzig-Cent-Aroma.
    Den ganzen Weg nach Dijon mußte ich an die Vergangenheit denken. Ich dachte an all die Dinge, die ich hätte sagen und tun können, die ich aber in den bitteren, demütigenden Augenblicken nicht gesagt oder getan hatte, in denen das Betteln um wenigstens eine Brotkruste so viel bedeutet wie sich geringer machen als einen Wurm. Stocknüchtern, wie ich war, litt ich noch immer unter diesen alten Beleidigungen und Demütigungen. Ich konnte noch immer den Schlag über den Hintern spüren, den mir der Polyp im Stadtpark versetzt hatte, obwohl man vielleicht sagen wird, es habe sich dabei um eine reine Bagatelle, eine harmlose Tanzstunde gehandelt. Ich wanderte durch die ganzen Vereinigten Staaten und weiter nach Kanada und Mexiko. Überall war es dieselbe Geschichte. Wer Brot will, muß ins Geschirr, muß in Reih und Glied marschieren. Über die ganze Erde breitet sich eine graue Wüste, ein Teppich aus Stahl und Zement. Die Produktion! Mehr Schraubenmuttern und Nägel, mehr Stacheldraht, mehr Hundekuchen, mehr Rasenmäher, mehr Kugellager, mehr Sprengstoffe, mehr Panzer, mehr Giftgas, mehr Seife, mehr Zahnpasta, mehr Zeitungen, mehr Bildung, mehr Kirchen, mehr Bibliotheken, mehr Museen. Vorwärts! Die Zeit drängt. Der Embryo zwängt sich durch den Ausgang der Gebärmutter, und kein Tröpfchen Speichel erleichtert das Durchkommen. Eine trockene, würgende Geburt. Kein Wimmern, kein Pieps. Salut au monde! Ein Salut von einundzwanzig vom Mastdarm abgefeuerten Kanonenschüssen. «In und außer Hause trage ich

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