Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
Vom Netzwerk:
Beispiel zog sie Tiere geradezu magisch an. Auf ihren langen Spaziergängen begegneten ihnen ständig alle Arten von Tieren, und sie zeigten Chris gegenüber so gut wie keine Scheu. Vögel setzten sich sogar auf ihre Hand, Eichhörnchen ließen sich von ihr streicheln. Selbst Rehe oder Hirsche flohen nicht, so daß sie sich ihnen bis auf wenige Meter nähern konnten. Bei Haustieren war es ebenso: Pferde kamen aus dem hintersten Winkel ihrer Koppel zum Zaun getrabt, um sich von Chris den Kopf streicheln zu lassen. Die furchterregendsten Hunde wedelten mit dem Schwanz und leckten Chris die Hand.
    Alles, was sie sagte und tat, schien von einem geheimnisvollen Zauber umgeben zu sein, und damals entwickelte Jonas die feste Überzeugung, daß Wunder möglich waren und daß es in der Welt Dinge gab, die der Verstand nicht zu erfassen vermochte.
    Drei Jahre erlebten sie eine unvergleichliche Liebe, dann, als Chris achtzehn wurde, wollte sie plötzlich um jeden Preis „normal“ werden, keine Außenseiterin mehr sein, und der Zauber verflog. Sie schnitt sich die wilde Mähne ab, kleidete sich wie ihre Mitschülerinnen, suchte die Gesellschaft von Mädchen, die Jonas schrecklich langweilig und oberflächlich fand, und ging mit ihnen in Discos und ins Kino. Sie konnte die andere, fremdartige Seite in ihr nicht loswerden, aber sie versuchte diesen Teil von sich zu unterdrücken und sprach nicht mehr über ihre Träume. Jonas merkte, daß sie sich dabei geradezu selbst vergewaltigte, daß sie ganz unglücklich und innerlich wund wurde. Sie gewöhnte sich das Rauchen an, magerte ab, war jetzt oft sehr unruhig und gereizt. Sie fing an sich mit ihm wegen eigentlich belangloser Kleinigkeiten zu streiten, und hinterher tat es ihr furchtbar leid, und er merkte, wie sehr sie sich dafür haßte, daß sie ihm ungewollt solchen Kummer machte.
    Sie setzte sich in den Kopf, ihre Faszination für Tiere und die Natur sei nur dann „normal“ und akzeptabel, wenn sie daraus eine seriöse Berufstätigkeit machte, und beschloß nach dem Abitur Biologie zu studieren. Doch Jonas spürte, wie sehr die rationale, wissenschaftliche Betrachtung des Lebens ihrer Seele weh tat. Er ging zur Polizei nach Köln, und Chris erhielt einen Studienplatz in Gießen. Ihre Beziehung erkaltete und erlosch schließlich völlig. Jonas war für sie untrennbar mit ihrem früheren, „verrückten“ Leben verbunden, an das sie nun nicht mehr erinnert werden wollte.
    Dann, vor sechs Jahren, machte sie ein mehrwöchiges Praktikum bei den Wölfen im Eifelwildpark, meldete sich bei ihm, und für kurze Zeit lebte ihre Liebe wieder auf. Aber Chris schien die Verbindung zu ihrem Herzen, die ihn früher so an ihr fasziniert hatte, verloren zu haben und versuchte, alles nur noch mit dem Kopf zu tun. Sie hatte sich in eine dünne, ehrgeizige, reizbare Studentin verwandelt, die promovieren und als Wissenschaftlerin Karriere machen wollte. Wenn er sie an ihre frühere Beziehung zu Tieren und Pflanzen erinnerte, schüttelte sie den Kopf und machte sarkastische Bemerkungen über ihre eigene Naivität. Innerlich schien sie ihm jedoch völlig zerrissen. Sie schlief schlecht, wurde von dunklen Träumen gequält und schluckte Beruhigungstabletten, die irgendein Seelenklempner ihr verordnet hatte.
    Es folgten einige für sie beide schmerzhafte Wochen. Er versuchte in ihr jenes wilde, rätselhafte Mädchen wiederzufinden, das er so geliebt hatte, während sie unbedingt wollte, daß er ihr neues Selbstbild als vernünftige, nüchterne Wissenschaftlerin akzeptierte, das sie sich so krampfhaft aufrechtzuerhalten bemühte. Sie trennten sich ziemlich frustriert und enttäuscht.
    Chris verschwand nach Kanada, und Jonas schwor sich, endgültig einen Schlußstrich unter diese Liebe zu ziehen. Aber es war ihm schwergefallen, sehr schwer.

    Vor ihnen tauchte das Gatter des Wildparks aus dem Regen auf. Jonas drehte den Kopf und sah ihr rundlich gewordenes Gesicht neben sich, mit den vor Nässe ganzzotteligen Haaren. Ihre träumerisch ins Unbestimmte blickenden großen blauen Augen. Plötzlich spürte er den starken Drang, sie auf die Wange zu küssen, ganz sacht.
    Nein. Er rückte ein Stück von ihr ab. Nie wieder.

4. KAPITEL
    A m Mittwochmorgen schaute im dritten Stock desKölner Polizeipräsidiums eine junge Frau Anfang Dreißig leicht gelangweilt aus dem Fenster ihres Büros auf den grauen Innenhof, wo die Dienstwagen parkten. Susanne Wendland hatte das Büro erst vor drei Tagen bezogen, als sie

Weitere Kostenlose Bücher