Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft erklärt wurde, hat er seine Forschungen fortgesetzt, Megatonin weiterentwickelt.“
Megatonin. Sie hatte damals kaum etwas über diese Substanz herausbekommen können, die Gablenz o ff enbar entwickelt hatte. Aber es stand fest, daß das Leben zweier junger Menschen durch dieses Teufelszeug für immer zerstört worden war. „Glauben Sie, er ist einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Wer spricht denn da überhaupt? Wer sind Sie?“
„Unwichtig. Wichtig ist, daß Sie die Ermittlungen wiederaufnehmen. Sie müssen unbedingt etwas tun. Gablenz ist gefährlich.“
Bei den letzten Worten wurde die Stimme sehr schrill und dünn. Ehe Susanne weitere Fragen stellen konnte, legte der Mann auf. „Scheiße!“ zischte sie. Hatte sie sich eben noch über Langeweile beklagt?
Kriminaloberinspektor Mallmann kam herein, ein Tablett mit zwei Kaffeetassen und zwei Stück Käsekuchen balancierend. Das Mallmännchen hatte sie zusammen mit dem Büro von Möller geerbt. Leider war Susannes Bitte, ihr einen etwas besser zu ihrem Arbeitsstil passenden Assistenten zuzuteilen, vielleicht Martin oder Schommers, bei Antweiler auf taube Ohren gestoßen. Ausgerechnet das Mallmännchen!
„Susanne, was ist los?“ sagte er. „Du siehst sauer aus.“
„Hm. Weiß noch nicht.“ Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr sehr kurz geschnittenes, dunkles Haar. „Ein komischer Anruf, der bei mir unerfreuliche Erinnerungen geweckt hat.“ Sie stand auf, drückte die erst halb gerauchte Zigarette aus und ging zur Tür. „Ich muß mal kurz ins Archiv.“
„Und dein Kaffee?“ flötete Mallmann hinter ihr her.
„Stell ihn kalt“, brummte sie.
Mit langen Schritten eilte sie über den Flur und durchs Treppenhaus hinab in den Keller, in den alle Akten verschwanden. Ihr Magen grummelte ein wenig. Vielleicht hätte ich doch erst noch das Stück Kuchen essen sollen, überlegte sie. Mallmann, diese Glucke, hält mich wohl für unterernährt und versucht mich zu mästen, so wie meine Mutter früher. Aber das war ho ff nungslos. Sie war nun einmal lang und knochig, mit schmalen Hüften und kaum Busen. Dafür hatte sie das kräftige Kreuz einer guttrainierten Schwimmerin. Ja, fit war sie immer noch, trotz der vielen Qualmerei. Beim Nahkampftraining machte ihr von den Herren der Schöpfung so schnell keiner etwas vor.
Im Archiv thronte der alte Hengstenberg gutmütig und behäbig hinter seinem Schreibtisch. „Sieh da, die Susanne“, sagte er. „Schmauchst du ein Zigarettchen mit mir?“
Er hielt ihr die Packung hin. Er war einer von diesen hartgesottenen, allmählich aussterbenden Nikotin-Junkies, die Reval ohne Filter rauchten. Sie beugte sich über die Ausgabetheke, nahm eine, und er gab ihr Feuer.
„Und, ist das Mallmännchen auch nett zu dir?“
Sie grinste und blies schweren Reval-Rauch zur Decke.
„Klar. Er verwöhnt mich richtig. Bringt mir Kaffee und mästet mich mit matschigem Käsekuchen aus der Kantine. Vermutlich werde ich demnächst genauso fett wie du.“
Er lachte und hustete rasselnd. „Da mußt du aber noch Berge von Käsekuchen vertilgen. Hat dir denn schon irgendein neidischer Kollege Reißzwecken auf den Stuhl gelegt?“
Susannes Gesicht verfinsterte sich. „Glaubst du etwa auch, daß ich zu jung für Möllers Nachfolge bin?“
„Nein, nein“, entgegnete Hengstenberg leicht gekränkt. „An diesem dummen Gequatsche beteilige ich mich nicht, das weißt du doch. Die sind selber schuld, daß keiner von ihnen Möllers Stelle bekommen hat. Hätten sie halt bessere Ermittlungsergebnisse abliefern sollen! Du hast wenigstens Biß. Du bringst mir so gut wie nie Akten mit den drei peinlichen E: Ermittlungen ergebnislos eingestellt. Wenn einer würdig ist für die Möller-Nachfolge, dann du. Es wäre eine Schweinerei gewesen, wenn Antweiler jemand anderem den Job gegeben hätte.“
Susannes Gesicht hellte sich wieder auf. „Danke für die Blumen“, sagte sie mit rauchigem Charme in der Stimme. Hengstenberg schmolz sichtlich dahin. „Kannst du mir mal die Akte GENOTEC/Gablenz raussuchen?“
„Klar. Moment.“ Er rückte die Brille zurecht und tippte langsam, mit schwerfälligem Zweifingersuchsystem einen Befehl in die Computertastatur vor ihm. Man sah ihm dabei deutlich an, daß er so kurz vor der Pensionierung keine rechte Lust mehr hatte, sich mit dem neuen elektronischen Kollegen anzufreunden. Auf dem Bildschirm erschien ein Aktencode. Hengstenberg wuchtete sich aus seinem Stuhl und
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