Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
o ffi ziell zur Nachfolgerin des pensionierten Hauptkommissars Möller ernannt worden war.
Ja, ja, unsere ehrgeizige Frau Hauptkommissarin, wieder ein Stück die Leiter hochgestolpert - Kriminalrat Antweilers besonderer Liebling. Kantinengequatsche. Sie war nur aus einem Grund Antweilers „Liebling“: weil sie gut war.
Im Gegensatz zu manchen Herren im Präsidium pflegte sie die meisten ihrer Fälle aufzuklären. Sie ließ nicht locker, bis sie die Lösung gefunden hatte. Männer mit diesem kriminalistischen Talent galten als „verwegene Spürhunde“ und wurden von den Kollegen mit einer gewissen Ehrfurcht behandelt - wie Möller in schien besseren Tagen. Aber bei ihr schien ihnen das eher unheimlich zu sein. Außer bei der Sitte gab es noch immer kaum Kripokommissarinnen. Und dann war sie obendrein auch noch mit nur zweiunddreißig Jahren zur Hauptkommissarin befördert worden, früher als fast alle männlichen Kollegen.
Susanne grinste. Ach was, sollten die Herren nur lästern! Die Kriminalistik war ihre Leidenschaft, so wie für andere Leute vielleicht Klavierspielen. Ihre Mutter hatte einmal zu ihr gesagt: Bei deiner Neugierde konntest du ja nur zur Kripo gehen oder Enthüllungsjournalistin werden. Und bei der Kripo stellte sie ihre unstillbare Neugierde immerhin in den Dienst einer edlen Sache, war gewissermaßen staatstragend. Daß sie dabei oft ziemlich eigenwillig vorging und zu riskanten Alleingängen neigte, ließ ihr Antweiler meistens durchgehen - weil sie ihm Erfolge brachte.
Jetzt saß sie endlich in Möllers Büro, an dem legendären Schreibtisch, über den die spannendsten Fälle der letzten fünfzehn Jahre gewandert waren, doch bislang gab es nur Routine. Zum Gähnen.
Das Telefon klingelte. Susanne seufzte. Hoffentlich war es irgendetwas Besonderes . Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und hob ab. Das grüne Lämpchen blinkte. Ein Außenanruf. „Wendland. Kommissariat Fünf“, meldete sie sich mit ihrer rauchigen Stimme, die auf Männer angeblich ungeheuer erotisierend wirkte, was sie selbst aber als völligen Schwachsinn empfand.
„Kommissarin Wendland?“
Haupt kommissarin, wollte sie berichtigen, unterließ es dann aber, über sich selbst lächelnd. „Ja, bitte?“
„Sie haben damals in der ... GENOTEC-Angelegenheit ermittelt... erinnern Sie sich?“
Eine Männerstimme. Die Worte kamen stockend, als sei der Anrufer unsicher, ob er das Richtige tat. Die Stimme klang gepreßt. Vermutlich verstellte der Mann sich, um nicht erkannt zu werden. Dennoch kam ihr seine Stimme bekannt vor, auch wenn sie nicht auf Anhieb sagen konnte, woher. Der Anruf kam offenbar aus einer Telefonzelle. Im Hintergrund glaubte Susanne Verkehrsgeräuschezu hören. „Ja, natürlich erinnere ich mich.“ GENOTEC. Damals war sie noch in Kommissariat Sieben gewesen. Einer von diesen Fällen, die man nicht so leicht vergaß, bei denen ein nagendes Unbehagen zurückblieb.
„Nun, also ... die Ermittlungen sind ja damals gewissermaßen im Sande verlaufen. Aber... es gibt neue Entwicklungen...“
Im Sande verlaufen war nicht ganz zutreffend. Im Gegenteil, Susannes Ermittlungen hatten klar ergeben, was damals bei GENOTEC geschehen war und wer dafür die Verantwortung trug - nur hatten sie nicht gegen den betreffenden Herrn vorgehen können, weil „gewisse übergeordnete Stellen“ - eine von Antweilers unnachahmlichen Formulierungen - schützend die Hand über ihn gehalten hatten. Wirklich unklar und mysteriös war allerdings die Sache mit dem Autounfall gewesen, doch ehe sie da richtig nachhaken konnte, hatte sich das BKA eingeschaltet, und man hatte ihr den Fall entzogen. Susanne hatte damals eine ganze Woche Magenschmerzen gehabt, so wütend und frustriert war sie gewesen. „Neue Entwicklungen?“ fragte sie und bemühte sich ihre Erregung zu verbergen. Sie spürte, wie sehr ihr die Sache immer noch an die Nerven ging, sogar jetzt, nach über einem Jahr. Schon die bloße Erwähnung von GENOTEC genügte.
„Ja. Dr. Alexander Gablenz ist... verschwunden.“
Gablenz. Ein weiterer Name, der in Susannes Gedächtnis äußerst negativ besetzt war und ihre Nervosität um einige Grade steigerte. Dr. Frankenstein. Sie spürte, wie die Härchen in ihrem Nacken zu kribbeln begannen. „Verschwunden, sagen Sie?“ Verflucht, wem gehörte diese quäkend verstellte Stimme? Sie war sicher, daß sie den Anrufer kannte. Sie nahm eine Zigarette aus der Packung und zündete sie an.
„Entgegen dem, was damals
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