Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
auch durch Scharenbroich nicht. »Hast du dich schon eingehend mit dem Geheimen Zunftbuch beschäftigt? Dort kannst du die Antwort auf diese Frage finden.«
Scharenbroich seufzte. »Ich hoffe, dass du mir dabei hilfst. Aber was hat dieser Erdstoß mit der Geheimen Zunft zu tun?«
Leider war der Zeitpunkt ungünstig, um solche Fragen zu stellen und zu beantworten. Nur noch ein
Tag. »Findest du nicht, wir beide sollten jetzt endlich nachschauen, was sich« - ein vorsichtiger Blick, aber es war niemand in der Nähe - »hinter der Geheimtür befindet?«
Scharenbroich machte ein ängstliches Gesicht. »Du würdest mit hinunter kommen? Das wäre eine große Beruhigung für mich.«
»Hast du den Schlüssel bei dir?« Scharenbroich nickte. »Ich denke, es ist am sichersten, wenn ich ihn ständig bei mir trage. So hat es Josef auch gemacht.«
»Dann lass es uns jetzt gleich tun. Damit wir wissen, was sich dort unten verbirgt, ehe wir weitere Entscheidungen treffen.«
Im Grunde waren alle Menschen wunderschön. Auch aus Scharenbroichs rundlicher Gestalt leuchtete das Licht Gottes. Fast kam es ihm so vor, als sei das blasse, ängstliche Gesicht des neuen Dompropstes von einer heiligen Aura umgeben. Ein kleines, furchtsames Zögern, dann seufzte Scharenbroich und nickte, geradezu gottergeben. »Also gut, bringen wir es hinter uns.«
Sie stiegen die Stufen zur Krypta hinunter. Als sie an der Bischofsgruft vorbeigingen, blickte Scharenbroich mit traurigem Blick zu der Stelle, wo Oster gelegen hatte. »Josef war ein wirklicher Freund«, sagte er leise. »Ich wünschte, er wäre noch am Leben.«
Das war wirklich rührend. Scharenbroich hatte Oster ganz gewiss geliebt, auf eine unschuldige, freundschaftliche Weise. Während er die Tür zum Gebetsraum öffnete und Scharenbroich vorbeiließ, musste er schlucken und spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, die er eilig wegwischte. Er dankte Gott für sein empfindsames Herz, ging zum Altarbild und schob es zur Seite. Scharenbroich stand unschlüssig vor ihm. »Worauf wartest du?«, fragte er und schenkte Scharenbroich ein sanftes, aufmunterndes Lächeln.
Scharenbroich holte tief Luft und schloss die Geheimtür auf. Er keuchte vor Angst und Überraschung. Es musste ein beängstigender Anblick für ihn sein - die lange, spärlich beleuchtete Treppe, das blaue Licht in der Tiefe. Gewiss hatte Scharenbroich Erlösung verdient, göttliche Gnade. Der Kerzenständer traf Scharenbroichs Hinterkopf. Mit einem leisen Schrei, eigentlich kaum mehr als ein überraschtes Aufstöhnen, fiel er vornüber und stürzte sich mehrfach überschlagend die Stufen hinab. Den Aufprall am Fuß der Treppe würde er schon nicht mehr spüren. Er schloss die Tür und schob das Bild wieder davor. Es war besser so. Man würde Scharenbroich vermissen und nach ihm suchen, aber nun war nur noch die Zeit bis morgen zu überbrücken. Hätte Scharenbroich die nächsten Stunden damit zugebracht, allen möglichen Leuten Fragen nach der Geheimen Zunft zu stellen, wäre dadurch möglicherweise ein weitaus größerer Schaden entstanden. Er lächelte. Gewiss war Scharenbroichs Seele jetzt schon in Gottes Ewigkeit, wo es für ihn ein Wiedersehen mit seinem Freund Josef Oster geben würde.
Neun
N achdem Heike im Gästehaus mit Roland telefoniert hatte, wirkte ihr Gesicht noch besorgter als zuvor. »Roland sagt, dass der Erdstoß im Vandenberg- Geschäftshaus auch zu spüren war«, berichtete sie.
Chris mochte nicht in die Villa zurück und der Hund sowieso nicht. Also setzten sie sich im völlig unbeschädigten Gärtnerhaus ins Kaminzimmer. Im Radio wurde gemeldet, Köln sei von einem leichten Erdstoß erschüttert worden. Warum davon nur bestimmte, ältere Gebäude betroffen gewesen seien, werde noch untersucht. Der Dom sei bis auf Weiteres für die Öffentlichkeit gesperrt, da Besucher von herabfallenden Sternen verletzt worden seien. Außerdem sei der Turm der alten Kirche St. Antonius eingestürzt, wobei es aber glücklicherweise keine Verletzten gegeben habe.
Als Susanne eine halbe Stunde später eintraf, war Chris sehr erleichtert. Atemlos berichtete sie, was Chris und Heike bereits im Radio gehört hatten. »Was ist mit deinen Händen?«, fragte Chris. Susannes Handflächen waren mit Verbandsmull umwickelt. »Ach, halb so wild. Hab mich etwas verbrannt.«
Sie schüttelte den Kopf und erzählte von ihrem Erlebnis mit der Wünschelrute.
Chris hörte gebannt zu. Plötzlich kam ihr eine Idee, was
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