Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
auch schon den Eingang gefunden, glauben wir wenigstens.« Kochs Stimme klang auf- geregt. Offenbar hatte er ganz vergessen, dass sie als Abbruchunternehmen hier waren und fühlte sich wie ein Archäologe, der eine ungewöhnliche Ausgrabung gemacht hatte. Diese Entdeckung war in der Tat mehr als ungewöhnlich. Barnstett wusste überhaupt nicht, wie er sie einordnen sollte. Das Gewölbe war eindeutig mittelalterlichen Ursprungs. Es musste vor dem Bau der Kirche errichtet worden sein. Dass eine Krypta größer war als die über ihr liegende Kirche, kam seines Wissens sonst nie vor. Hatte man ursprünglich beabsichtigt eine erheblich größere Kirche zu bauen? Und wieso war diese Krypta in den alten Plänen nicht eingezeichnet? Barnstett wusste, dass die Historiker seit langem vergeblich darüber rätselten, wieso Konrad von Hochstaden seinerzeit ausgerechnet hier auf dem Land seines Erzfeindes Wilhelm von Jülich dieses Kloster hatte bauen lassen. Ein geheimes Gewölbe - Barnstett fühlte sich plötzlich ganz aufgeregt. Er konnte die Gefühle des jungen Bauingenieurs gut nachvollziehen. Vielleicht verbarg sich darin ein Schatz, den sie nun heben würden ...
Koch führte ihn zu den Trümmern der Sakristei. Tatsächlich sah man dort die Stufen einer Treppe, die allerdings weitgehend verschüttet war. Kochs Arbeiter bemühten sich mit spürbarem, gewiss von großer Neugierde getriebenem Eifer sie wieder freizulegen.
»Gut«, sagte Barnstett befriedigt. »Ich möchte dieses Gewölbe so schnell wie möglich in Augenschein nehmen.«
»Ich komme natürlich mit!« Kochs Augen funkelten vor Begeisterung.
»Was ist hier los? Warum arbeiten die Bagger nicht?« Eine schneidende Stimme hinter ihnen, die Barnstett wahrhaft glühend vermisst hatte. Die Glosowski war damit beschäftigt gewesen, den Fortgang der Bohrungen hinter dem Kloster zu inspizieren, wo hintereinander zwei Bohrgeräte ausgefallen waren.
»Wir haben dieses Gewölbe hier entdeckt«, sagte Koch und zeigte auf die freigelegten Deckenwölbungen und die Treppe.
»Na und?«, erwiderte sie schroff. »Wir interessieren uns nicht für irgendwelche alten Gewölbe, sondern für die Braunkohle darunter. Sprengen! Los, holen Sie mir den Sprengmeister her.«
Barnstett fühlte, wie ein wunderbares Gefühl des Triumphes in ihm aufstieg. Der Moment, den er herbeigesehnt hatte, seit er die Gegenwart dieser Ingenieurin und den unerbittlichen Fortgang der Zerstörung mit ansehen musste, war endlich gekommen. »Langsam«, sagte er und hoffte, dass ihr nicht entging, wie zufrieden seine Augen funkelten. »Von einer Sprengung kann keine Rede sein, solange dieses Gewölbe nicht geöffnet und sorgfältig auf seinen historischen Wert untersucht worden ist.«
Sie starrte ihn an und ihre Wangen verfärbten sich. Der Anblick ihrer Wut war eine Genugtuung. »Ich ordne hiermit an«, sagte er laut und nachdrücklich, »dass die Abrissarbeiten an der Kirche unterbrochen werden, bis dieses Gewölbe von meiner Behörde geprüft ist und zur Sprengung freigegeben wurde!«
Wenn sie mit ihren Augen tödliche Pfeile abschießen könnte, läge ich jetzt am Boden, dachte er. Aber sie konnte nichts tun. Es war genau der Fall eingetreten, wegen dem er die Arbeiten überwachte. Er erfüllte lediglich seine Amtspflichten, und das wusste sie.
»Wie lange wird das dauern?«, fragte sie mit mühsam beherrschter Stimme.
Barnstett schaute auf die Uhr. »Auf dem Amt erreiche ich erst morgen früh wieder jemanden.« Er schaute Koch an. »Und vorher dürfte der Eingang wohl auch nicht freigelegt sein. Ich denke, dass Sie frühestens morgen Nachmittag weitermachen können. Vorausgesetzt , wir finden in diesem Gewölbe tatsächlich nichts von Wert.«
»Was soll dort schon zu finden sein, außer einem Haufen alter, nutzloser Steine?«, stieß sie wütend hervor. Barnstett hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie dort unten erwartete. Aber denjenigen, die sich im Mittelalter die Mühe gemacht hatten ein derartiges Gewölbe zu errichten, war es wohl kaum darum gegangen, lediglich ein paar nutzlose Steine übereinander zu schichten. Ein Reliquienschatz vielleicht, überlegte er. Das wäre in der Tat eine Aufsehen erregende Entdeckung. Aber Reliquien waren normalerweise nicht versteckt, sondern offen zur Schau gestellt worden, um Pilgerströme herbeizulocken. Schließlich hatte man die Dreikönigsreliquien im Kölner Dom ja auch nicht schamhaft im Keller versteckt - ganz im Gegenteil. Eine geradezu fiebrige
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