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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Scharenbroich den Kirchenlenkern des Mittelalters nahe, die keine religiösen Schwärmer, sondern nüchterne Verstandesmenschen gewesen waren.
    Wirklich? Plötzlich musste er an das denken, was sich unter seinen Füßen befand. Tief unter dem Fundament des alten gotischen Hochaltars. Und damit standen ihm schlagartig die Eindrücke dieser schrecklichen Nacht vor Augen, die er sein ganzes Leben nicht mehr vergessen würde. Die klaffende, blutende Wunde auf Josef Osters hoher Denkerstirn. Er sah sich wieder die Stufen zur Krypta hinabsteigen, neben dem vor Panik zitternden Martin. Trotz der Eiseskälte im Dom brach ihm der Schweiß aus. Er ächzte leise und stützte sich schwer auf die Schranke des mittelalterlichen Chorgestühls. Warum die Schnitzereien auf diesem Chorgestühl so viele dämonische Gestalten zeigten, hatte er nie begriffen: von Blattwerk umgebene Koboldfratzen, fauchende Drachenköpfe ...
    »Herr Weihbischof, isset Ihnen nit jut?« Die Stimme von Küpper, einem der Domschweizer.
    Scharenbroich atmete tief durch und richtete sich wieder auf. Er musste Ruhe bewahren. Nur sein Verstand konnte ihm in dieser Situation weiter helfen. Es galt, sich auf das zu konzentrieren, was aufgrund vernünftiger Überlegungen jetzt als Nächstes zu tun war. Langsam ging er am Gerokreuz vorbei zur Sakramentskapelle.
    »Ich erwarte Dr. Hatheyer in der Kapelle zu einem vertraulichen seelsorgerischen Gespräch. Lassen Sie außer ihm niemanden herein.« Der Domschweizer schloss mit einem gehorsamen Kopfnicken die schwere Tür der Kapelle hinter Scharenbroich.
    Hier war es still. Die raunenden Stimmen der Besucher, die nun wieder das dämmrige Halbrund des Chorumgangs durchwanderten, drangen nicht herein. Scharenbroich fühlte sich gleich besser, als er in die Kerzenflammen vor dem Altar schaute. Vertraute Dinge waren beruhigend, Tradition war beruhigend. Aber worauf gründete diese Tradition? Er stöhnte, zog sein Taschentuch hervor und tupfte sich damit die Stirn ab. Und dann war da der Diebstahl, der alles noch viel schlimmer machte. Er brauchte das Buch, er brauchte es unbedingt. Sonst wusste er nicht, wie es weitergehen sollte. Wenn Martin es an sich genommen hatte ...
    Nach ein paar Minuten betrat Martin die Kapelle. »Warum wollen Sie mich schon wieder sprechen?«, fragte er. »Es geht mir nicht gut. Ich hatte mich hingelegt.«
    Sie setzten sich in eine Bank. Scharenbroich nahm seine Brille ab und putzte sie. Er hatte sich seine Worte sorgfältig zurechtgelegt, lange über den möglichen Verlauf des Gesprächs nachgedacht. »Martin, ich hoffe, du bist dir über die Verantwortung im Klaren, die nach Josefs Tod auf uns beiden lastet. Du musst mir alles erzählen, was du weißt.«
    »Alles worüber?«, fragte Martin, der starr nach vorn zum Altar schaute. Seit er die Kapelle betreten hatte, war er Scharenbroichs Blick ausgewichen. »Ich habe Ihnen doch erzählt, dass ich angerufen wurde. Die Stimme war verstellt, verzerrt. Daraufhin bin ich runter ... und habe ihn gefunden. Natürlich halten mich jetzt alle, die über unsere Liebe Bescheid wussten, für den Mörder.« Er lachte bitter. »Mord aus übergroßer Liebe! Bestimmt wird die Polizei mich bald verhaften.«
    »Ich glaube dir«, sagte Scharenbroich, ohne sich dessen völlig sicher zu sein. War Martin fähig einen Mord zu begehen? Er holte tief Luft. »Ich will mit dir nicht über Josefs Tod sprechen, sondern über die Geheimnisse, in die Josef dich eingeweiht hat, obwohl er das niemals hätte tun dürfen.«
    Jetzt schaute Martin ihn an. In seinem Gesicht zuckte es. »Er hat mir vertraut. Und immerhin haben Sie selbst mich mit ihm verkuppelt, vergessen Sie das nicht!«, entgegnete er wütend.
    Scharenbroich senkte betroffen den Kopf. Verkuppelt. Was für ein schreckliches Wort. Aber der Junge hatte natürlich Recht. »Vergiss du nicht, was du mir alles verdankst. Ich wollte, dass Josef seine... abartigen Neigungen auf eine Weise auslebt, die sich unter Kontrolle halten lassen. Nicht auszudenken, wenn er sich mit irgendwelchen Strichjungen eingelassen hätte. Wenn ich allerdings vorausgesehen hätte, dass ihr beide euch derartig unsterblich, unvernünftig ineinander verlieben würdet... «
    »Was verstehen Sie denn auch von der Liebe?«, stieß Martin verächtlich hervor.
    Nein, in der Tat, von der Liebe verstand Scharenbroich nichts - und er wollte es auch gar nicht. Liebe machte die Leute verrückt, vernebelte ihnen den Verstand. »Ich hatte gehofft, er würde mit

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