Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
hinunter in ein Bachtal führte, an dessen von Schafen abgeweideten Hängen Hunderte von Wacholdersträuchern standen. Sie erinnerte sich, dass sie damals während des Schulausfluges in der prallen Sommerhitze schwitzend dort entlangmarschiert waren, weil ihr Biologielehrer ihnen unbedingt den Wacholder aus der Nähe zeigen wollte. Im Tal rumpelte der Kombi über eine alte Holzbrücke. Vor sich sah sie das große, grüne Schild des Eifelwildparks. Es schien sich in den Jahren dort nichts verändert zu haben. Ein Stück neben dem
Parkeingang stand ein altes Forsthaus, an das sie sich von dem Schulausflug her nicht mehr erinnern konnte. Aber es handelte sich zweifellos um das Haus aus dem Fernsehbericht. Heike erkannte es wieder. Dort wohnte Chris Adrian.
Heike stellte den Volvo auf dem Parkplatz neben dem Eingang ab, auf dem nur zwei Autos standen. Vermutlich war hier an den Wochenenden mehr Betrieb. Einen Moment blieb sie unschlüssig hinter dem Steuer sitzen, dann fing Ahriman hinter dem Trenngitter an unruhig zu werden und zu winseln. Seufzend stieg sie aus und befreite ihn. Er sprang hechelnd aus dem Kofferraum und flitzte über den Parkplatz, offenbar um überschüssige Energie abzubauen. Dann hockte er sich vor sie hin und schaute sie mit hängender Zunge erwartungsvoll an. »Also gut«, sagte sie und ging langsam, zögernd auf das Forsthaus zu. »Vielleicht ist sie ja gar nicht da, und wir sind umsonst hergefahren.«
Was will ich überhaupt von ihr?, fragte Heike sich. Ihre Idee, dass die Schamanin ihr helfen könnte, sie beraten könnte, kam ihr jetzt seltsam wirr und unrealistisch vor. Sie wird Wichtigeres zu tun haben, dachte sie. Bestimmt komme ich furchtbar ungelegen. Ich hätte wenigstens vorher anrufen und sie erst einmal telefonisch um einen Termin bitten sollen.
Das Haus war wirklich romantisch. Eine schwere, geschnitzte Tür, über der sogar, wie Heike es bei einem richtigen Forsthaus erwartete, ein Hirschgeweih hing. Ahriman rieb den Kopf an Heikes Bein und winselte. Sie holte tief Luft und drückte auf die große Türklingel aus Messing. Sie wartete. Ich habe doch geahnt, dass niemand da ist, dachte sie.
Nach einer Weile wandte Heike sich um, doch plötzlich hob Ahriman den Kopf und bellte. »He, was hast du denn?«, fragte Heike. Mit gesenktem Kopf schnüffelte Ahriman an der Hauswand entlang, als wolle er Kaninchen jagen. Neben dem Haus stand ein Zaun mit einer hölzernen Gartenpforte darin. Ahriman drückte mit dem Kopf dagegen und das Gartentor, das nur angelehnt gewesen war, öffnete sich quietschend. Ehe Heike etwas sagen konnte, war der dumme, vorwitzige Hund im Garten verschwunden. »Ahriman!«, rief sie. »Was tust du denn da? Komm sofort zurück!« Oje, dachte Heike. Er ist so groß, womöglich wird er jemandem einen Schrecken einjagen. Warum musste dieser Hund auch so eigenwillig sein? Sie lief zu dem Gartentor und schaute auf das Grundstück dahinter. Das Haus war im Winkel gebaut. Hinter einem Rasenstreifen lag ein großer, gepflegt wirkender Küchengarten. Im Seitenflügel des Hauses gab es eine Tür, die zu diesem Küchengarten hinausging. Vor der Tür hockte Ahriman und schaute Heike von weitem an. »Ahriman! Komm sofort her !«, rief sie. »Na los!« Der Hund rührte sich nicht vom Fleck. Widerwillig betrat Heike das fremde Grundstück, fasste Ahriman am Halsband und schüttelte ihn. Er hechelte und leckte ihre Hand. »Du sollst folgen, wenn ich was sage!« Wahrscheinlich müsste ich strenger mit ihm sein, dachte sie. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, neugierig in das Fenster neben der Tür zu spähen.
Das war die Küche, in der das Fernsehinterview gefilmt worden war. Und bei der Frau, die dort drinnen am Tisch saß, handelte es sich zweifellos um Chris Adrian. Sie hatte den Kopf gehoben und starrte Heike an.
»Einen Riesenhund haben Sie da«, sagte sie laut durch das halb geöffnete Fenster. »Sind Sie von der Zeitung? Tut mir Leid, ich gebe keine Interviews mehr.«
»Nein. Ich bin ... ich bin privat hier. Aber ich wollte nicht aufdringlich sein. Wenn der Hund nicht...« Chris zuckte die Achseln. »Na, kommen Sie meinetwegen rein. Die Tür ist offen.«
Zögernd drückte Heike die Klinke hinunter. Kaum war die Tür auf, riss sich Ahriman los und sauste an Heike vorbei ins Haus. »He! Warte!«, rief sie, aber da war er schon durch einen kurzen Flur gelaufen und nach links in der Küche verschwunden.
Heike folgte ihm. Als sie die Küche betrat, hatte Ahriman
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