Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
geahnt, dass der Besuch hier sinnlos war. Unter dem Tisch winselte und schnüffelte Ahriman leise. Was hat er nur wieder, dieser Hund?, fragt e sie sich.
Chris bückte sich, um ihn zu streicheln. »Wie heißen Sie eigentlich? Wohnen Sie hier in der Gegend? Wir sind uns, glaube ich, nie begegnet.«
»Heike Vandenberg.« Plötzlich spürte sie, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. »Ich komme aus Köln. Ich lebe dort mit meinem Mann und dem Hund allein in einer riesigen Villa. Es ist eine wunderschöne Villa. Aber es gibt dort eine seltsame ... Energie. In letzter Zeit ist diese Energie stärker geworden.« Ihre Stimme zitterte, und sie zog rasch ein Papiertaschentuch aus der Jackentasche, um sich die Tränen wegzuwischen. »Und dann sind da so eigenartige Vibrationen. Heute Morgen auch wieder. Ich fühle mich total erschöpft, und nachts wache ich ständig auf. Und ich mache mir Sorgen um meinen Mann. Er wirkt in letzter Zeit überarbeitet, und jetzt ist auch noch dieses Haus eingestürzt ... «
Sie schnäuzte sich die Nase. Als sie wieder aufblickte, hatte Chris Adrians Gesichtsausdruck sich verändert. Sie beugte sich vor und wirkte plötzlich sehr interessiert. »Sie meinen«, sagte sie, offenbar sehr erstaunt, »Sie sind die Frau von Roland Vandenberg, dem das eingestürzte Haus in der Machabäerstraße in Köln gehört?«
»Oh, dann weiß man hier auch schon davon«, sagte Heike bekümmert.
»Das ist ja ein Ding. Eine Freundin von mir... « Chris presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nein, das tut nichts zur Sache.« Sie lächelte Heike aufmunternd an. »Also gut. Erzählen Sie mir in Ruhe alles, was Sie auf dem Herzen haben. Vielleicht kann ich doch etwas für Sie tun.«
Als sie das Handy in der Jackentasche piepsen hörte, stand Susanne am Rand der durch hohe Drahtgitter gesicherten Überreste des eingestürzten Vandenberg- Hauses und blickte nachdenklich auf die Trümmerstücke. Es war ein paar Minuten nach vier. Sie wartete auf Schmickler und seinen Schwager. Sie zog das Handy heraus und drückte die Meldetaste. »Hier ist Martin Hatheyer. Ihr Kollege Tönsdorf hat mir Ihre Nummer gegeben.« »Ah, Herr Hatheyer.« Na also, endlich kam Bewegung in die Sache! Ein wenig überraschte es sie, dass Hatheyer als Erster reden wollte. Sie hatte damit gerechnet, dass Scharenbroich eher zusammenbrechen würde. »Ich muss Sie unbedingt sprechen. Unter vier Augen. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Die Stimme klang gequält, zitternd vor innerer Unruhe. »Geht es möglichst bald? Am liebsten wäre mir gleich heute.«
»Oh, dagegen habe ich nichts einzuwenden«, sagte Susanne befriedigt. Dann konnte sie Antweiler morgen früh bei der Dienstbesprechung gute Nachrichten verkünden.
»Ich möchte die Dunkelheit abwarten, damit uns möglichst niemand sieht.«
Ihr Abend war eigentlich dienstfrei, aber nun gut. Irgendwann würde sie ihre Überstunden abfeiern. »Okay. Wo sollen wir uns treffen?«
»Sagen wir: um acht am Eingang der Domsakristei.«
Er schwieg. Sie konnte ihn laut atmen hören. »Wollen Sie mir noch etwas sagen?«
»Bitte? Nein, nein. Alles weitere heute Abend.« Er legte auf.
Kurze Zeit nachdem Susanne das Handy wieder weggesteckt hatte, stoppte ein älterer Mercedes Diesel am Straßenrand. Schmickler stieg aus und ein korpulenter, rotgesichtiger Mann, der noch ein paar Jahre älter als der Einsturzexperte zu sein schien. Der korpulente Mann trug eine große Ledertasche.
Sie schüttelten sich die Hände und Schmicklers Schwager, Dieckmann mit Namen, stellte die Tasche auf den Boden und öffnete sie. Er entnahm ihr einen etwa einen halben Meter langen gegabelten Zweig.
»Das ist eine Ypsilon-Rute«, erklärte er. »Ich habe sie frisch aus einem Haselnussstrauch geschnitten. Sie halten sich nur wenige Tage, solange noch Saft im Holz ist. Wenn sie austrocknen, sind sie nicht mehr zu gebrauchen. Ich möchte gerne, dass ihr von hier aus zuschaut und die Ruine nicht betretet. Das könnte sonst meine Messungen stören.«
Schmickler schob eines der Drahtgitter weit genug zur Seite, dass sein beleibter Schwager mit seiner Haselnussrute hindurchpasste.
Dann beobachteten Schmickler und Susanne hinter dem Zaun neugierig, wie Dieckmann auf den Trümmerstücken herumkletterte. Die Rute hielt er dabei dicht vor seinem Bauch, ein Ende in jeder Hand, die Spitze nach vorn ausgestreckt. Immer wieder blieb er kurz stehen und schloss die Augen, vermutlich weil er sich dann besser konzentrieren
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