Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
tatsächlich die Leiter in die Grube hinabgestiegen war. Er stand mit dem Rücken zu ihnen regungslos in der Mitte des ehemaligen Kellers.
»Erich?«, sagte Schmickler wieder.
Erst reagierte Dieckmann nicht. Dann stieß er einen gurgelnden Laut aus und drehte sich ruckartig zu ihnen um, die Metallrute immer noch vor sich ausgestreckt. Als Susanne sein Gesicht sah, erschrak sie. Die Augen waren weit aus den Höhlen getreten, das Gesicht schmerzverzerrt. Die Rute zuckte nicht mehr auf und ab, sondern war von einer heftigen Vibration erfasst worden, die sich auf Dieckmanns Arme übertrug. Um die Rute und Dieckmanns Unterarme herum glaubte Susanne einen bläulichen Lichtschein wahrzunehmen, oder handelte es sich um eine optische Täuschung?
»Mein Gott«, ächzte Schmickler. »Erich!«
Schaum trat Dieckmann vor den Mund, er stöhnte unartikuliert, dann brach er mit einem grässlichen, röchelnden Laut zusammen. Die Rute fiel klirrend zu Boden.
Susanne stieg, so schnell sie konnte, die Leiter herunter, dicht gefolgt von Schmickler. Sie drückte
Schmickler ihr Handy in die Hand. »Los! Rufen Sieden Notarzt!« Sie drehte Dieckmann auf den Rücken und riss sein Hemd auf.
»Kein Puls!«, rief sie. »Sein Herz schlägt nicht mehr!« Eilig suchte sie den richtigen Punkt auf seiner Brust, dann begann sie mit der Herzmassage.
Bis der Notarzt eintraf, vergingen endlos scheinende Minuten, in denen Susanne immer wieder neu mit Herzmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung begann, Dieckmanns fettgepolsterten Brustkorb herunterdrückte, Luft in seine Lunge blies, bis sie völlig erschöpft war. Als der Notarzt kam, versuchte er an Ort und Stelle eine Wiederbelebung mit dem Defibrillator. Ohne Erfolg. Schließlich ließ er Dieckmann in den Rettungswagen schaffen, um alle technischen Möglichkeiten auszuschöpfen. »Aber ich glaube, da ist nichts mehr zu machen«, sagte er kopfschüttelnd.
»Scheiße, was sag ich bloß meiner Schwester«, murmelte Schmickler und zündete sich zitternd eine Zigarette an.
Susanne hockte ausgepumpt auf dem kalten, feuchten Boden und sah zu, wie die Sanitäter mühsam die Bahre, auf der sie Dieckmanns Körper festgeschnallt hatten, aus der Grobe hoben. Schmickler ging auf die Leiter zu. »Kommen Sie, Sie erkälten sich noch«, sagte er. »Er hatte schon zwei Herzinfarkte, wissen Sie.«
Erst jetzt fiel Susanne die Rute wieder ein. Das Ding lag dort auf dem Boden, keine zwei Meter von ihr entfernt. Und leuchtete noch immer in einem kalten, bläulichen, fast unheimlichen Licht.
»Fassen Sie die lieber nicht an«, sagte Schmickler.
»Sehen Sie dieses Licht auch?«
»Wahrscheinlich irgendein ... Lichtreflex.« Schmickler drehte sich um und stieg eilig die Leiter hoch. Susanne wusste nicht, ob es an ihren über reizten Nerven lag, aber sie hatte das Gefühl, dass der Boden unter ihr vibrierte, eine feine, schnelle Vibration von der Art, wie vielleicht eine mit hoher Drehzahl laufende Maschine Mauerwerk in Schwingung versetzen würde. In ihrem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Sie sprang auf und hatte es plötzlich ebenso eilig wie Schmickler , diesen Ort zu verlassen.
Rasch kletterte sie die Leiter hoch, sprang wie eine fliehende Gazelle über die Trümmerstücke. Erst auf der Straße vor der Absperrung blieb sie stehen. Hier spürte sie keine Vibrationen mehr. Vermutlich waren es doch nur die Nerven gewesen.
Am Rettungswagen, der vor der Hausruine auf der Straße stand, hatten sie die Tür nicht geschlossen, sodass Susanne hörte, wie der Notarzt endgültig den Tod des Rutengängers feststellte.
Die unterirdische Wasserader, von der Dieckmann gesprochen hatte, sollte angeblich fast parallel zur Straße in Süd-Nord-Richtung verlaufen und diese so genannte Leylinie von Westen nach Osten. Susanne schaute dorthin, wo demnach Osten sein musste. Viele Straßenzüge entfernt, aber durch die von dem eingestürzten Haus hinterlassene Lücke gut im Blickfeld, sah sie die Türme des Doms in den Himmel ragen.
Chris hörte, wie im Bad das Rauschen der Dusche verstummte. Sie saß auf einem Kissen im Wohnzimmer. Neben sich auf dem Boden hatte sie eine Decke ausgebreitet. Auf dem Couchtisch brannte eine Kerze und durch die abgedunkelten Fenster fiel nur ein spärlicher Lichtschein. Es war üblich, dass der Patient sich vor der Krafttiersuche reinigen musste, darum hatte sie Heike Vandenberg gebeten sich zu duschen. Ich werde äußerlich alles so machen, wie ich es von Silver Bear gelernt habe, dachte Chris,
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