Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
sinken.
»Was ist?«, fragte Chris.
»Mir ist gerade was eingefallen: Vorgestern habe ich mit meinen Freundinnen Indianer-Tarot gespielt, und rate mal, welche Karte ich gezogen habe - einen Falken! Sonderbar, nicht wahr?«
Chris schüttelte den Kopf. »Nein, das ist überhaupt nicht sonderbar. So was nennt man Synchronizität.«
Heike nickte. »Ja, darüber habe ich gelesen. Aber wenn's einem selbst passiert, ist es doch etwas ganz anderes.« Sie kam langsam wieder zum Sofa und setzte sich. »Ich weiß, es ist schrecklich viel verlangt«, sagte sie zögernd, »aber meinst du, du könntest auch noch was für meinen Mann tun? Ich mache mir Sorgen um ihn. Er ist in letzter Zeit so im Stress...«
Chris musste zugeben, dass sie sich darüber freute, helfen zu können. Heike wirkte ruhiger und energievoller. Ihre zuvor ziemlich blassen Wangen hatten etwas Farbe bekommen. Und diese Synchronizität war ein sehr gutes Zeichen. Chris zögerte. Eine Krafttiersuche aus der Feme war nicht möglich, aber eine Heilbehandlung in der Art, wie Chris bei Heike den kranken Baum verarztet hatte, konnte durchaus etwas bewirken, wenn auch die Ergebnisse ohne unmittelbaren Kontakt zum Patienten meist nicht so überzeugend ausfielen. Immerhin konnte Heike mit ihrer starken emotionalen Bindung an ihren Mann als eine Art Verstärker dienen.
Plötzlich tauchte der Gedanke wieder auf, dass Chris diese Gelegenheit nutzen konnte, um etwas über Roland Vandenberg herauszubekommen und so Susanne bei ihren Ermittlungen zu helfen. Nein, ausgeschlossen! Chris wusste jetzt, dass sie das nicht tun durfte.
»Hör zu«, sagte sie und holte tief Luft. »Ich habe dir etwas verschwiegen. Ich bin mit Susanne Wendland befreundet, der Kommissarin, die in Köln wegen dem Hauseinsturz gegen deinen Mann ermittelt. Das habe ich dir verschwiegen, weil ich hoffte dich ein bisschen für sie aushorchen zu können. Es tut mir Leid. Ich hätte es dir sagen müssen.«
Heike machte eine betroffenes Gesicht. Dann entspannte sie sich wieder. »Na ja, wenn sie deine Freundin ist, kann ich natürlich verstehen, dass du ihr gerne helfen möchtest. Aber ich weiß über diesen Hauseinsturz auch nur, was in den Zeitungen stand. Und ich bin sicher, dass mein Mann nichts damit zu tun hat, was auch immer von manchen Leuten behauptet wird.« Sie hob die Schultern. »Das ist schon ein irrer Zufall, der mich hierher geführt hat, stimmt's?«
Chris seufzte. »Ich glaube schon lange nicht mehr an Zufälle. Also gut. Leg dich wieder aufs Sofa. Ich werde einen Versuch machen. Du kannst mir helfen, indem du dich intensiv auf deinen Mann konzentrierst. Stell dir möglichst lebhaft vor, er wäre hier bei uns im Zimmer.«
Inzwischen war es fast dunkel. Chris schaltete die alte Stehlampe ein, die Jonas für sie aus dem Sperrmüll gefischt hatte. Dann nahm sie wieder Heikes zarte, leichte Hand und hielt sie diesmal fest, während sie die Lider schloss und das Bild des Kristalltunnels vor ihrem inneren Auge entstehen ließ.
Sie suchte nach der Bärin, konnte sie aber nirgendwo entdecken. »Bärin!«, rief sie lautlos. »Komm bitte her. Ich brauche deine Hufe auf einer neuen Reise in die Geisterwelt.« Die Bärin ließ sich nicht blicken. Das war kein gutes Zeichen und Chris überlegte schon die Reise abzubrechen und es zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal zu versuchen. Dann tauchte die mächtige pelzige Gestalt doch noch auf. Wieder stieg Chris auf den Rücken des Krafttieres und hielt sich im weichen Fell fest.
Als sie den Kristalltunnel passierten, mussten sie gegen eine starke Luftströmung ankämpfen und kamen nur mühsam vorwärts. »Vielleicht ist es besser umzukehren!«, rief Chris gegen den Wind an, der durch den Tunnel heulte. Die Bärin antwortete nicht und trottete unbeirrt vorwärts. Chris kam der Tunnel viel länger als bei anderen Reisen vor. Die Kristalle, die sonst immer hell schimmerten und funkelten, wirkten matt und stumpf.
Chris bekam plötzlich Angst, ihr Herz klopfte. Irgendetwas stimmte hier nicht. »Vergiss bei allen schamanischen Reisen nie, dass du selbst die Träumerin des Traumes bist«, hatte Silver Bear während der Ausbildung öfter gesagt. »Du kannst jederzeit umkehren. Und du kannst den Traum mit Hilfe deiner eigenen Kreativität verändern.«
Der Wind trug etwas heran, das Chris zunächst nur hören, aber nicht sehen konnte. Es surrte gespenstisch. Dann tauchte ein Schwärm großer Fluginsekten vor ihr auf, eine hässliche Kreuzung aus Heuschrecken
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