Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Freunden war sie diesbezüglich großzügiger.
»Einverstanden. Ich gehe durch die Schmale Gasse.« Als Susanne aus dem Schatten der Sakristei trat, wäre sie beinahe von einem Inlineskater über den Haufen gefahren worden. Sie machte einen Satz zur Seite. »Pass doch auf!«, rief sie wütend. Doch der Junge war im nächsten Moment schon mit seinen beiden Begleitern in der Dunkelheit untergetaucht. Das schnarrende Geräusch ihrer Rollschuhe entfernte sich rasch.
Die Mädels hatten schon zweimal angerufen und sich beschwert, wie langweilig es sei, so lange vor dem Priesterseminar im Auto herumzusitzen.
»Denkt an die Kohle«, sagte der Anführer. »Für Kohle muss man was tun.«
Inzwischen war es dunkel. Der Anführer bezweifelte schon, dass sie heute noch Jagdglück haben würden. Wieder meldete sich das Handy. Als er es ans Ohr hob, hörte er Laras Stimme, die jetzt nicht mehr gelangweilt, sondern aufgeregt klang. »Er ist gerade rausgekommen«, flötete Lara. Sie hatte so ein süßes Stimmchen. »Geht geradeaus in die Schmale Gasse.
Entweder will er zum Dom oder zum Generalvikariat.«
»Alles klar«, antwortete der Anführer. Zu seinen Jungs sagte er: »Wir haben Glück. Er kommt durch die Schmale Gasse. Wir machen's wie besprochen.«
In dieser abends verlassenen Gegend hörte der Anführer seine Beute, ehe er sie sah. Leichte Schritte. Dann tauchte eine zierliche Gestalt im Laternenlicht auf.
»Guckt euch den Gang an«, flüsterte Kralle. »Der geborene Arschficker.« »Still, Kralle!«, zischte der Anführer.
Als die vier martialischen Gestalten aus der Dunkelheit des Hunnenpfads in die Schmale Gasse einbogen, ihn überholten und ihm den Weg versperrten, blieb der zierliche Mann stehen. »Was ... wollen Sie von mir?« Seine Stimme klang dünn und weiberhaft.
Der Anführer spuckte aus. »Könnte sein, dass wir keine Arschficker mögen.« Grinsend fügte er hinzu. »Oh, entschuldige: keine Homosexuellen.«
Der zierliche Mann im dunklen Priesteranzug wich zurück. Doch hinter ihm waren weitere Gestalten in Springerstiefeln aufgetaucht. Eine versetzte ihm einen Stoß vorwärts. Seine großen Augen blickten angsterfüllt.
»Was für ein furchtsames Angsthäschen wir da haben«, sagte der Anführer. Er spürte, dass er Lust bekam Knochen zu brechen, aber das durfte er nicht. Er würde seine Befehle auftragsgemäß ausführen. »Was meinst du, Kralle? Gibt's heute Abend Hasenbraten?«
Kralle lachte heiser. »Klar«, sagte er. »Angsthasenbraten.« Auch die anderen fünf lachten laut. Der Anführer packte den zierlichen Mann und rammte ihn rückwärts gegen die Hauswand. Dann stieß er ihm mit voller Wucht das Knie in den Schritt.
Vom Stolpweg bog Susanne in die Schmale Gasse ein. Als sie die Tripolisstraße überquerte, sah sie dahinter in der Fortsetzung der Schmalen Gasse, etwa auf der Höhe des Parkhauses, ein paar Typen stehen. Einer von ihnen beugte sich herunter zum Boden. Erst auf den zweiten Blick sah Susanne, dass dort jemand lag. Sie ging schneller. Es waren sieben Typen. Kahlgeschorene Köpfe, die im Laternenlicht glänzten. Militärische Montur. Scheiße. Susanne ging langsamer und lockerte mit einem raschen Griff die Pistole im Schulterhalfter. Abgesehen vom Priesterseminar und dem Erzbischöflichen Palast an der Bischof-Melchers - Straße war diese Ecke um diese Zeit ziemlich menschenleer.
Als Susanne nah genug war, um zu erkennen, dass der Mann am Boden Martin Hatheyer war , zog sie ihre Pistole, entsichert e sie und rief mit lauter, autoritärer Stimme: »Polizei! Lassen Sie den Mann in Ruhe!«
Der, der sich zu Hatheyer heruntergebeugt hatte, richtete sich aufreizend langsam auf. Er war ein muskelbepackter Hüne, wohl an die zwei Meter groß.
Susanne zielte mit ihrer Dienstwaffe auf ihn. Mit der freien linken Hand wollte sie ihr Handy aus der Tasche ziehen, um die Notruftaste zu drücken und Verstärkung anzufordern.
Ihre Finger zitterten etwas, und das Handy verhakte sich unglücklich in der offenen Reißverschlusstasche der Windjacke. Als sie fester zog, rutschte es ihr aus der Hand und fiel krachend auf den Bürgersteig.
Sie bückte sich, ohne dabei den Hünen aus den Augen zu lassen. »Sachte«, sagte er gelassen. »Keine Panik, Frau Kommissarin.«
Sie richtete sich mit dem Handy auf und drückte die Taste. Kein Piepston. Das verdammte Ding war tot. Kaputt. Sie steckte das Handy wieder weg, nahm die Pistole in beide Hände und ging ein Stück näher an die Gruppe heran. »Okay«,
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