Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
sagte sie zu dem Hünen. »Du bist vorläufig festgenommen. Ihr anderen verpisst euch.« Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Sie konnte unmöglich sieben Glatzen gleichzeitig in Schach halten.
Der Hüne zeigte auf den mit schmerzverzerrtem Gesicht leise stöhnend am Boden liegenden Hatheyer. »Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen. Wir haben ihn hier so liegen sehen. Da haben wir angehalten, um erste Hilfe zu leisten. So war's doch, Jungs, stimmt's?«
Die sechs anderen schauten sich an und nickten. »Ich lasse dich trotzdem erkennungsdienstlich behandeln«, knurrte Susanne.
Der Hüne grinste. »Na, Frau Oberinspektorin. Ich bin ein unbescholtener Bürger und habe einen Anspruch darauf, mit >Sie< angeredet zu werden. Ich könnte eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen.«
Susanne biss die Zähne zusammen. Gott, was für ein Arschloch!
Einer von den anderen Glatzköpfen spuckte aus und stellte sich neben den Hünen. »Wir gehen nicht ohne unseren Anführer«, sagte er.
»Ach, halt's Maul, Kralle«, wies ihn der Hüne in befehlsgewohntem Tonfall zurecht. »Wir wollen keinen
Ärger mit den Bullen. Tut, was sie sagt, und haut ab. Wir haben doch einen guten Anwalt. Morgen bin ich wieder draußen.«
Murrend zogen sie sich zurück. Erst jetzt sah Susanne, dass im Hunnenpfad, der als dunkler, enger Schlauch von der Schmalen Gasse schräg hinüber zur
Kyotostraße führte, Motorräder standen. Geländemaschinen. Die sechs schwangen sich in die Sättel, ließen die Motoren aufheulen und schalteten die Scheinwerfer ein. Sie starrten unschlüssig herüber.
»Nun macht schon!«, brüllte der Hüne. »Haut ab! Morgen bin ich wieder da!« Mit jaulenden Motoren brausten sie in Richtung Richmodstraße davon. Er zog ein Handy aus der Tasche und hielt es Susanne hin. »Sie können meines benutzen, um Ihre Kollegen zu rufen, Frau Oberinspektorin«, sagte er grinsend. »Harry mit dem Wagen ist wohl gerade nicht in der Nähe?«
Wütend forderte sie über sein Handy die uniformierten Kollegen an. Folgsam ließ der Riesenkerl sich Handschellen anlegen. Immer noch mit vorgehaltener Pistole wies Susanne ihn an sich mit dem Rücken an die Hauswand zu setzen, so dass sie ihn im Auge behalten konnte, während sie sich um Hatheyer kümmerte.
»Er lügt«, stöhnte Hatheyer leise. »Er war's. Er ist über mich hergefallen.«
»Da steht dann wohl Aussage gegen Aussage«, sagte der Hüne unbekümmert.
Susanne wünschte sich sehnlich, dass die uniformierten Kollegen ihn wegschafften. Sie konnte dieses Grinsen nicht mehr ertragen.
Ungefähr eine Dreiviertelstunde später saß sie müde und gereizt auf einer Bank im Eingangsbereich des Priesterseminars. Der Arzt, den sie gerufen hatten, kam die Treppe von Hatheyers kleiner Dienstwohnung herunter. »Und? Wie geht's ihm?«, fragte Susanne und stand auf.
»Der, der ihn zusammengeschlagen hat, wusste genau, wie man Menschen wehtut, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen«, sagte der Arzt. »Ich habe ihm Schmerzmittel und etwas zum Schlafen gegeben. Sie müssen sich schon bis morgen gedulden, ehe Sie von ihm eine brauchbare Aussage erwarten können.«
»Hast du schon die Personalien von dem grinsenden Glatzkopf?«, fragte sie Tönsdorf, der sie ein paar Minuten später abholte.
Er nickte. »Ein Jo Schneider. Fünfundzwanzig. Ein paar Jugendstrafen, aber seit mehreren Jahren nicht mehr aktenkundig. Glaube nicht, dass wir aus dem viel rausbekommen. Und ob wir einen Haftbefehl kriegen, wage ich auch zu bezweifeln. Der Junge kann sich übrigens gute Anwälte leisten. Die Kanzlei Bürgel und Partner hält schützend die Hand über ihn. Er hat eben mit dem alten Bürgel persönlich telefoniert. Willst du ihn heute Abend noch verhören?«
Susanne winkte heftig ab. »Nein, morgen früh. Jetzt mache ich Feierabend.«
Sechs
E in Stück aus Köln heraus, in Richtung Eifel, stand in einem idyllischen Park ein altes Jagdschlösschen. Der Park war so angelegt, dass das Schlösschen vor den Blicken neugieriger Reisender möglichst verborgen blieb. Während früherer Jahrhunderte hatte es diversen Kölner Erzbischöfen als Liebesnest gedient, in dem es ihren Frauen an nichts mangelte. Auf dem von der Straße aus nicht einsehbaren, hinter hohen Hecken und unter abschirmenden Bäumen verborgenen Parkplatz standen schwere Mercedes, BMWs und Audis. Nachdem das Schlösschen bis in die Siebzigerjahre als exklusives Hotel genutzt worden war, beherbergte es heute >Bei Tino<, das teuerste
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