Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Blutergüsse im Gesicht gefunden worden. Die geheimnisvolle Verbindung zwischen Kloster und Dom - was wussten Scharenbroich und Hatheyer darüber? Möglicherweise hatte die Heimlichtuerei der beiden tatsächlich nichts mit dem Mord zu tun. Da waren diese alten Geheimnisse, auf die Evertz angespielt hatte. Sie sah wieder vor sich, wie er sie aus seinem Rollstuhl mürrisch angefunkelt hatte: Die Geschichte ist voll von Morden, die wegen irgendwelcher tatsächlich oder vermeintlich wertvollen Geheimnisse verübt wurden. Was hatte Hatheyer ihr im Dom zeigen wollen? Unschlüssig spielte Susanne mit ihrem neuen Handy. Dann entschied sie ihm bis morgen seine Ruhe zu gönnen. Sollte er sich von seiner
Tante aufpäppeln lassen. Allerdings gab sie Tönsdorf telefonisch die Adresse durch, damit er sie vorsichtshalber überprüfte. »Brauchst aber die Aachener Kollegen nicht hinschicken«, sagte sie. »Nur überprüfen, ob die Angaben stimmen.« Sie startete den Motor und reihte sich in den Verkehr auf der Richmodstraße ein, in Gedanken weiter den vielen offenen Fragen nachspürend.
Als sie rund zwanzig Minuten später im Präsidium zu ihrem Büro ging, war sie angesichts der immer mysteriöseren Dimensionen dieses Mordfalles von einem prickelnden Jagdfieber erfüllt, das sie für die vielen Überstunden und den Schlafmangel entschädigte.
Auf dem Flur kam ihr Tönsdorf entgegen, mit unter den Arm geklemmter Aktentasche, was darauf hindeutete, dass er bereits dem Feierabend zustrebte.
»Nanu«, sagte Susanne, »du gehst schon? Bist du krank?«
»Ist dir bewusst, um wieviel Uhr ich in den letzten Tagen jedesmal Feierabend gemacht habe?«, brummte er. »Hatheyers Adresse in Aachen ist sauber. Dort wohnt tatsächlich seine Tante, wie du dem Zettel entnehmen kannst, den ich dir auf den Schreibtisch gelegt habe.« Er ging ein Stück weiter, blieb dann wieder stehen. »Ach, hätte ich fast vergessen: Der Alte will dich sprechen. Dringend.«
»Hat er gesagt weswegen?«
»Nee. Frag ihn selber.«
Als Susanne Antweilers Büro betrat, saß der Chef nicht wie gewohnt am tadellos aufgeräumten Schreibtisch, sondern schaute aus dem Fenster. »Ah, Wendland, da sind Sie ja«, sagte er, ohne sich nach ihr um- zudrehen. »Setzen Sie sich.« Er schaute weiter aus dem Fenster, was sehr ungewöhnlich war, nahm seine Brille ab, putzte sie und setzte sie wieder auf. »Mögen Sie eigentlich unseren Polizeipräsidenten?«, fragte er, den Blick auf irgendeinen fernen Punkt draußen in der Stadt gerichtet.
Susanne hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte. »Ich hatte noch nie das Vergnügen ihn persönlich kennen zu lernen, von ein paar offiziellen Anlässen einmal abgesehen. Dabei wirkte er immer ganz leutselig. Unter Kollegen kursiert das böse Gerücht, er würde sich mehr für den Karneval als für die Kriminalistik interessieren. Keine Ahnung, ob das zutrifft. Wird er nicht bald pensioniert?« Polizeiinterne Personalien, ein Hauptbestandteil des Kollegentratsches, langweilten Susanne entsetzlich. Morde aufzuklären machte weitaus mehr Spaß.
Jetzt drehte Antweiler sich zu ihr um und grinste. »Wenn Sie wollen, besitzen Sie durchaus die Gabe der Diplomatie. Eine wichtige Karrierevoraussetzung. Jedenfalls haben Sie die Antwort auf meine Frage elegant umschifft.« Wie immer war seine äußere Erscheinung makellos, vom exakt gescheitelten, glänzenden Haar über den perfekt sitzenden Anzug bis zu den polierten Schuhen. Susanne schätzte, dass er einen nicht unerheblichen Teil seines Gehaltes in Anzüge und Schuhe investierte. »Unser Polizeipräsident ist ein Arschloch«, sagte er, ging zum Schreibtisch und setzte sich.
Susanne erwiderte das Grinsen. »Ich nehme an, Sie möchten, dass ich diese Einschätzung vertraulich behandle.«
»Das Grinsen wird Ihnen gleich vergehen. Rüters hat mir zwei zusätzliche Planstellen für unsere Abteilung angeboten.«
»Aber das ist doch wirklich nett von ihm«, sagte Susanne erstaunt. »Bei unseren vielen Überstunden ... «
»Dieses Wort höre ich in meinem Büro nur sehr ungern. Natürlich bekomme ich die beiden Planstellen nicht umsonst.«
Jetzt begann Susanne Schlimmes zu ahnen. »Sie meinen, er hat Sie um einen kleinen Gefallen gebeten?«
»Sagen wir, einen unverschämt kleinen Gefallen. Einige Herren, die in Köln über großen Einfluss verfügen, zumindest über großen Einfluss auf unseren Herrn Polizeipräsidenten, sind der Auffassung, dass die Ermittlungen im Propstmord auf ziemlich kleiner
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