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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Sind noch fast zwei Kugeln übrig.«
    Erst verfinsterte sich sein Gesicht, als wollte er ihr einen Fluch hinterherschicken, aber dann grinste er und fing tatsächlich an Eis zu lecken.
    Susanne quetschte sich an einigen Besuchern vorbei durch die Drehtür. Nach der hellen Sonne draußen war das Innere des Doms zunächst recht dunkel, auch wenn bunte Lichtstrahlen durch die Fenster fielen. Der Dom war auch um diese Jahreszeit schon voller Touristen. Sie konnte Hatheyer nirgendwo entdecken. Eilig drängte sie sich nach vorn zum Chor. Wenn er in irgendeinem Nebenraum verschwunden war, in den man ohne Schlüssel nicht hineinkonnte, hatte sie Pech gehabt. Sie lief durch den Chorumgang, wo die Besucher andächtig herumwanderten, um die Bischofssarkophage zu betrachten, an die Susanne noch nie einen Blick verschwendet hatte. Wo war Hatheyer hingegangen?
    Sie blieb stehen und überlegte. Er befand sich ganz offensichtlich in einer ziemlich angegriffenen seelischen Verfassung. Wenn man bedachte, was ihm alles zugestoßen war, erstaunte das nicht sehr. Susanne stand unweit des Gerokreuzes. Was tat ein religiöser Mensch, wenn es in seinem Leben drunter und drüber ging? Vielleicht bat er Gott um Hufe. Susanne entdeckte das Schild Sakramentskapelle. Zutritt nur zum Gebet. Seit ich aus der Kirche ausgetreten bin, bete ich besonders gerne, dachte sie grinsend und trat ein.
    Hatheyer kniete vorne in der ersten Bank. Sie setzte sich in die Bank dahinter und hoffte, dass er laut betete, aber den Gefallen tat er ihr nicht. Sein Kopf war vorgebeugt und Susanne sah, dass er vor innerer Unruhe bebte. Sie wartete. Ab und zu stöhnte er leise, als ob die Antworten des lieben Gottes unbefriedigend ausfielen - falls Gott überhaupt je antwortete, was Susanne bezweifelte.
    Die Zeit, die Hatheyer dort kniete, kam ihr endlos vor. Sie konnte nur mühsam den Drang unterdrücken, ihn von hinten an der Schulter zu fassen und sofort ein Verhör zu beginnen, hier in der Kapelle. Aber sein Nervenkostüm wirkte so angespannt, dass er dann möglicherweise vor Schreck tot umgefallen wäre. Also blieb sie ruhig sitzen, was ihr schwerfiel, und hoffte, dass sein stummes religiöses Zwiegespräch nicht bis zum Jüngsten Tag dauerte. Dann stand er ganz unvermittelt auf, bekreuzigte sich und wandte sich zum Gehen.
    »Herr Hatheyer«, flüsterte Susanne.
    Als er sie in der Bank hinter sich sitzen sah, zuckte er heftig zusammen. »Frau... Kommissarin ...«
    »Wie Sie sich denken können, habe ich einige Fragen.« Susanne erhob sich ebenfalls. Sie wusste, dass sie sehr durchbohrend gucken konnte, »wie ein herabstoßendes Falkenweibchen« hatte Chris gesagt. Das tat sie jetzt und registrierte die feinen Schweißtröpfchen, die sich in Sekundenschnelle über Hatheyers Oberlippe und auf seiner Stirn bildeten. Eigentlich müsste ich Mitleid mit ihm empfinden, dachte sie. Er hat ziemlich schlimme Dinge durchgemacht. Vielleicht bin ich zu größerem Mitgefühl fähig, wenn er mir endlich gesagt hat, was er weiß.
    »Hier sind keine Gespräche gestattet«, sagte Hatheyer. »Dieser Ort ist nur für Betende gedacht.« Er ging rasch hinaus, und Susanne folgte ihm dicht auf dem Fuß, sodass es fast aussah, als würde er abgeführt.
    Draußen im Chorumgang sagte sie: »Man hat mich falsch informiert. Es hieß, Sie seien in Aachen.«
    Er blieb stehen. »Ich wollte zu meiner Tante fahren. Aber dann bin ich doch nicht in den Zug gestiegen und stattdessen den ganzen Tag in der Stadt herumgelaufen. Ich hatte das Gefühl dabei besser nachdenken zu können.«
    »Und?«, fragte Susanne. »Hat es geholfen?«
    Hatheyer fuhr sich mit der Hand über die Augen. Es war eine sonderbare Geste und jetzt tat er Susanne doch etwas Leid. Er wirkte sehr verwirrt. Nein, das war nicht die richtige Umschreibung. Gequält, als ob ihn innerlich etwas auffraß. »Zu wissen, was ich weiß, ist eine Qual«, stieß er hervor. »Ich finde keine Ruhe mehr.«
    »Warum erleichtern Sie dann nicht Ihr Gewissen und reden endlich? Was wollten Sie mir gestern zeigen? Zeigen Sie es mir jetzt! Schließlich sind wir im Dom.«
    Sein Blick irrte umher, als lauerten hinter den Säulen finstere Gestalten. »Ich will niemandem mehr etwas zeigen«, sagte er leise. »Ich will nur noch, dass man mich endlich in Ruhe lässt.«
    »So einfach geht das nicht«, entgegnete Susanne. »Was haben Sie zu verbergen? Wenn Sie wirklich unschuldig sind, wie Sie behaupten, warum arbeiten Sie dann nicht mit der Polizei zusammen und

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