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Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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des Vandenberg-Hauses betreffenden Unterlagen gemacht und war gegangen. Jetzt stand sie mit ihrer Umhängetasche, in der sie die Kopien verstaut hatte, draußen einen Moment unschlüssig herum. Ich habe frei, dachte sie. Ich muss überhaupt nichts tun. Aber wenn es keinen Fall gab, an dem sie herumtüfteln konnte, wusste sie wenig mit sich anzufangen. »Du bist ein Workaholic«, hatte Chris gesagt, und das stimmte ohne Zweifel. Vermutlich war das bei ihr wirklich eine Art von Besessenheit , die Antweiler nach Kräften ausnutzte.
    Sie ging zur Bahnhaltestelle in der Severinstraße, vorbei am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium mit dem riesigen, hässlichen Bronze-Ikarus, dem immer die Tauben auf den Kopf schissen. Susanne hoffte, dass er eines Tages endlich von der Wand fiel und zu Alteisen eingeschmolzen wurde. Das Wetter war frühlingshaft genug für ein Eis. In dem Eissalon >Am Hof<, gleich neben dem Roncalliplatz, machten sie wunderbares Eis! Susanne beschloss das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und fuhr mit der U-Bahn zum Dom.
    Ein paar Minuten später schlenderte sie mit einem großen Eis über den Roncalliplatz und betrachtete nachdenklich die Stelle, wo Osters Leiche gefunden worden war. Sie rief sich alle Details jener Nacht ins Gedächtnis. Hatten sie irgendetwas Wichtiges übersehen? Als sich keine zündende Idee einstellen wollte, ging sie in Richtung Hohe Straße, auch wenn Schaufensterbummel sie meistens ziemlich schnell anödeten.
    Ihr Blick glitt hinüber zum Domportal. Die Tauben, um die Chris sich gesorgt hatte, waren gewiss zurückgekehrt, um wieder überall ihre ätzenden Spuren zu hinterlassen. Susanne war sicher, dass der Taubenkot am Dom ebenso zerstörerisch wirkte wie die Autoabgase. Aber sie hatte nichts dagegen einzuwenden, dass das hässliche Steinungetüm eines Tages in sich zusammenstürzte. Dann konnte man an seiner Stelle irgendetwas Sinnvolles hinbauen - einen großen Kinderspielplatz zum Beispiel. Es stand jedoch zu befürchten, dass ohne den Dom ganz Köln in eine lähmende Depression versinken würde.
    Susanne sah den Dreck, den die Vögel auf den Mauervorsprüngen und Figuren hinterlassen hatten, die ihnen als Sitzplätze dienten. Doch Tauben selbst waren nicht zu entdecken, weder am Dom, noch in der Luft oder auf der Domplatte.
    Um sich gedanklich mit etwas anderem zu beschäftigen, schaute Susanne hinüber zum roten Backsteingebäude der Domprobstei. Sofort kam ihr Scharenbroich in den Sinn. Er schien schlechtere Nerven zu haben als Martin Hatheyer, und sie hatte eigentlich vorgehabt ihn heute Nachmittag oder morgen früh noch einmal in die Zange zu nehmen. Doch dafür war jetzt Heepenstrick zuständig. Hoffentlich nahm er, falls er überhaupt seinen Hintern aus dem Präsidium bewegte, wenigstens Tönsdorf mit, der dann später Susanne berichten konnte. Die Vorstellung, dass Scharenbroich womöglich ausgerechnet Heepenstrick all das erzählte, was sie selbst so gerne endlich aus erster Hand erfahren hätte, ärgerte sie maßlos. Vielleicht sollte sie es einfach riskieren, Scharenbroich inoffiziell auszuquetschen. Wenn man es genau betrachtete, hatte der Chef ihr dazu ja quasi eine Vollmacht erteilt.
    Die Burgmauerstraße, an der der Eingang der Domprobstei lag, wurde kaum befahren oder begangen. Vom Dom aus bewegten sich die Fußgängerströme vor allem nach links, Richtung Wallrafplatz und Hohe Straße. Darum fiel Susanne der einzelne Mann ins Auge, der aus der Burgmauerstraße kommend geradewegs auf den Dom zuging. Er war zierlich und nicht sehr groß. Susanne mischte sich rasch unter eine holländisch sprechende Reisegruppe. Martin Hatheyer. Was tat er hier? War er gar nicht nach Aachen gefahren, oder schon wieder zurückgekehrt? Susanne duckte sich hinter zwei weißhaarige und wohlbeleibte Holländerinnen, als er in wenigen Metern Abstand an ihr vorbei aufs Domportal zuging.
    »Is' das deine Freund?«, fragte die eine Holländerin leise.
    »So was Ähnliches«, zischte Susanne. Ihre Befürchtung, er könnte sie sehen, erwies sich als unbegründet. Er wirkte bleich und übernächtigt und ging mit gesenktem Blick. Seine Lippen bewegten sich, als ob er Selbstgespräche führte.
    Als er fast das Portal erreicht hatte, folgte ihm Susanne. »Der is' richtig süß«, sagte die Holländerin. »Viel Glück.«
    Susanne drückte einem der am Eingang sitzenden Penner ihr Eis in die Hand. »Ich habe weder Aids noch Hepatitis«, sagte sie, »du kannst also unbesorgt weiterschlecken.

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