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Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Reinker
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geradezu die Pflicht haben, unbequeme Fragen zu stellen. Schließlich will ich doch nur, dass es dir möglichst gut geht.«
    Ich scheine immer noch recht grimmig zu gucken, denn sie redet eilig weiter. »Wobei Prosecco an sich natürlich trotzdem nicht zu verachten ist. Vor allem, wenn man ihn in seiner Heimat genießen kann.«
    Sie macht eine kunstvoll gedehnte Spannungspause.
    »Jedenfalls hab ich den vorläufig letzten meiner 124 Lover dazu überredet, uns demnächst für ein Wochenende die Ferienwohnung seiner Familie am Gardasee zu überlassen. Ist das nicht super? Ein Hoch auf Alberto!«
    Genau, ein Hoch auf Alberto! Wir haben ihn zwar bisher nicht persönlich kennengelernt – Neele ist vor ein paar Jahren dankenswerterweise dazu übergegangen, uns nur noch die Männer vorzustellen, mit denen es »wirklich was Ernstes ist« –, aber in diesem Moment schließe ich ihn spontan ins Herz.
    Gleichzeitig überkommt mich bei aller Freude über dieses Angebot eine gewisse Nachdenklichkeit: Da muss erst so was passieren wie meine Erkrankung, damit wir endlich das gemeinsame Wellness-Wochenende gebacken kriegen, von dem wir seit Jahren reden. Ziemlich schwache Leistung, Jobstress hin, Familienverpflichtungen her. Wenn’s im Bereich »sich jeden Tag was Gutes tun« um mehr geht als Schuhkäufe und Lieblingsessen, müssen wir offenbar alle noch reichlich dazulernen.
    Immerhin: Der Gardasee ist ein guter Anfang. Vor lauter Begeisterung haben wir in weniger als fünf Minuten einen passenden Termin festgezurrt und packen geistig schon die Reisetaschen. »Was ist mir dir, Renate, kommst du auch mit? In der Wohnung ist bestimmt Platz genug für vier!«
    Ich werfe Neele einen dankbaren Blick zu. Manchmal würde ich sie für ihre direkte Art am liebsten one way nach Patagonien verfrachten lassen – aber dann wieder zeigt sie ein umwerfend großes Herz.
    »Nee, lass mal, ich finde, die Jugend sollte da unter sich bleiben. Ihr würdet euch doch nur über meine elektrische Rheumadecke lustig machen«, grinst Renate. »Aber es ist super, dass ihr das so kurz entschlossen macht. Ich hab nämlich auch einen kleinen Kalenderspruch parat: ›Das Glück folgt der Entschiedenheit.‹ So gesehen werden das bestimmt ein paar tolle Tage!«

8
    I ch bin immer noch krankgeschrieben; also verbringe ich die Zeit bis zur Abreise in unsere tollen Tage im Wesentlichen damit, mich mit allerlei besinnlichen Fragen zu befassen. Woher kommt der Mensch? Wohin geht der Mensch? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Werde ich noch in diesem Leben lernen, wie man Sachertorte backt?
    Auch das Thema Selbstheilungskräfte beginnt mich zu interessieren. Nur so, rein theoretisch. Mein netter Dr. Hameister hat mir immerhin inzwischen mehrfach versichert, dass die Strahlentherapie bei mir rein prophylaktisch ist. Und dass das Rückfallrisiko in meinem Fall kleiner ist als das Risiko, in einen Verkehrsunfall mit Blechschaden verwickelt zu werden.
    »Eigentlich sind Sie wieder so gut wie gesund«, hat er bei der letzten Untersuchung mit leuchtenden Augen zu mir gesagt.
    Über das »so gut wie« könnte ich natürlich bei näherem Nachdenken schwer ins Grübeln geraten. Ich bin schließlich eher der ängstliche Typ. Weshalb ich auch nach wie vor bei jeder passenden Gelegenheit darüber grüble, ob ich auch wirklich den Herd ausgemacht habe.
    Tatsache ist aber, dass ich mich schon wieder sehr gesund fühle. Fast so, als ob ich Bäume ausreißen könnte. Liegt wohl an der Kombi aus Schock, Erkenntnis und guten Vorsätzen für mein geschenktes Leben, wie Renate es genannt hat. Also eigentlich alles bestens.
    Jedenfalls so lange, bis wieder mal ein entferntes Familienmitglied oder eine Freundin aus Studienzeiten von diesem Krebs erfährt, spontan anruft und sich bestürzt über mein schweres Schicksal zeigt. Echt, manchmal denke ich, diese Krankheit wäre eine ganze Ecke leichter zu verdauen, wenn einen die Leute nicht so behandeln würden, als stünde man schon mit einem Bein in der Grube.
    Einerseits ist es natürlich großartig zu sehen, wie viele meiner Mitmenschen sich Sorgen machen. Ich persönlich finde es auch ausgesprochen angenehm, wenn sie über Krebs reden , anstatt einfach abzutauchen, weil sie schon allein vor dem Wort mehr Schiss haben als vor Naturkatastrophen und dem Totalverlust ihrer Spareinlagen.
    Andererseits ist es manchmal gewöhnungsbedürftig, welche Geschichten unsereins dann so zu hören bekommt. Kaum einer weiß ja, was er in dem Fall sagen soll.

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