Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
schon selbst gestellt und dann entschlossen weggesperrt habe. Da kann ich niemanden gebrauchen, der diese mühsam geschlossene Tür wieder aufreißt.
Erfreulicherweise gibt es für uns vier auch so genug Gesprächsthemen. Wobei: Martina und sogar Neele müssen erkennbar erst eine gewisse Ehrfurcht vor Renate ablegen. Als Chemo-Veteranin hat sie automatisch Heldinnenstatus. Obwohl sie schon lange wieder gesund ist, schauen meine Freundinnen sie an, als habe sie erst neulich eine Runde Fingerhakeln mit dem Sensenmann überstanden.
Renate sieht ihre Blicke und lacht. »Bitte keine nachträglichen Beileidsbekundungen. Mir geht’s besser denn je! So eine Krankheit kann ja auch eine Chance sein. Ich hab damals jedenfalls mein Leben entrümpelt. Hab endlich der Wahrheit ins Auge geblickt und mich von einem Mann getrennt, mit dem ich schon lange nicht mehr glücklich war. Hab mich kritisch in meinem Bekanntenkreis umgeschaut und diese ganzen hohlen Small-Talk-Freundschaften einschlafen lassen. Und dann bin ich zwei Monate nach Australien gefahren, ganz allein. Es war ein richtiger Befreiungsschlag. Danach ging’s nur noch aufwärts.«
Sie trinkt genussvoll einen Schluck Wein. »Na ja, wenn man vom Meidner mal absieht. – Und du, Sandra? Was willst du jetzt machen mit deinem geschenkten Leben?«
»Erst mal muss sie sich jetzt um ihren Körper kümmern. Selbstheilungskräfte aktivieren, ihr wisst schon«, sagt Martina, bevor ich überhaupt den Mund aufmachen kann. »Du solltest dir einen guten Heilpraktiker suchen. Diese ganze Schulmedizin ist doch durch die Pharmaindustrie von Grund auf korrumpiert. Und Entspannungstechniken musst du unbedingt lernen! Ich kann dir einen wunderbaren Meditationslehrer empfehlen.«
»Kann schon sein«, redet Neele dazwischen. »Aber ich finde, Sandra sollte vor allem ihre Lebensgeister aktivieren. Und dafür sollte sie sich möglichst bald einen neuen Job suchen. Und am besten einen neuen Mann gleich mit dazu. Der Meidner beutet dich bloß aus. Und Thomas ist zwar ein toller Mann. Das weiß niemand besser als ich – schließlich habe ich euch damals miteinander bekannt gemacht. Aber du jammerst jetzt schon seit Jahren, dass zwischen euch nicht viel mehr ist als gepflegte Langeweile …«
Typisch Neele, Klartext bis zum Knock-out. Neu ist nur, dass sie Thomas für einen tollen Mann hält. Bei Gelegenheit werde ich sie mal zu ihrem Sinneswandel befragen. Ich räuspere mich. »Die Zeiten haben sich geändert. Ich hab in den letzten Wochen viel dazugelernt. Über mein Leben, über Glück und Zufriedenheit und so.«
Jetzt schauen mich alle erwartungsvoll an. »In Martinas Meditationskalender stand heute: ›Glückselig ist, wer mit dem Bestehenden zufrieden ist. Wie auch immer es sei.‹«, zitiere ich feierlich.
Neele verdreht die Augen. Martina hingegen nickt heftig. Sie ist offenbar ganz begeistert, dass ihr Geburtstagsgeschenk auf so fruchtbaren Boden gefallen ist.
»Genau das hab ich vor. Mit dem zufrieden zu sein, was ich habe, anstatt immerzu darüber zu jammern, was ich alles nicht habe.«
An der Stelle guckt Belmondo leider Gottes überaus skeptisch. Und gießt damit prompt Wasser auf Neeles Mühlen. »Löbliche Vorsätze, wirklich. Aber die nimmt dir ja noch nicht mal deine eigene Katze ab.«
Ich werde ihm zur Strafe die Sardinenration kürzen.
»Und was weise Sprüche angeht, da kann ich dir auch ein paar bieten«, fährt Neele fort. »Wie wäre es zum Beispiel mit ›Es gibt kein richtiges Leben im falschen‹?«
»Mensch, Neele, als ob du immer so genau wüsstest, wo’s im Leben langgeht! Es wär echt spannend, zu dem Thema mal deine 123 Ex-Lover zu befragen!«, gifte ich zurück. »Menschen können sich ändern, nur für den Fall, dass dir das bisher entgangen ist. Thomas und ich haben jedenfalls durch die Krankheit emotional wieder zusammengefunden und sind sehr glücklich miteinander.«
»In jeder Hinsicht«, füge ich hinzu. In einem Ton, der Neele hoffentlich von inquisitorischen Fragen über den genauen Verbesserungsgrad meines ehelichen Sexlebens abhält. Sie ist ja auch so ein Zahlenmensch. Am Ende muss ich ihr womöglich nachweisen, dass wir inzwischen über dem sagenhaften Vier-Komma-acht-Stellungen-Durchschnitt liegen.
Was wir nicht tun. Aber ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als das zuzugeben.
»Is’ ja gut – reg dich nicht auf. Für mich ist Freundschaft halt mehr als gemeinsames Proseccotrinken. Ich finde, dass gute Freundinnen manchmal
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