Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
dem Viktualienmarkt ist zwar auch nicht zu verachten – aber da fehlt halt einfach das mediterrane Ambiente.
Nun liegt der Gardasee streng genommen nicht direkt am Mittelmeer. Doch der Blick von der Terrasse unserer kleinen Ferienwohnung lässt einen geografische Haarspaltereien wie diese glatt vergessen. Die Wohnung am Hang oberhalb eines kleinen alten Städtchens bietet uns ein Postkartenpanorama über Olivenbäume, Zypressenwipfel und Ziegeldächer hinweg auf den See und die bergige Landschaft am anderen Ufer.
Immer wenn ich zum Terrassengeländer gehe und hinunterschaue auf den Ort, wird mir ganz warm ums Herz. Und wehmütig.
Erst denke ich, es hat irgendwie was mit Hape Kerkeling zu tun. Schließlich lese ich gerade Ich bin dann mal weg . Ist ja inzwischen fast so was wie eine Pflichtlektüre bei Lebens-, Sinn- und Gesundheitskrisen aller Art.
Nachdenklich betrachte ich die hübsch geschwungene Kirchturmkuppel des Örtchens. Sollte ich etwa auch ein bisschen pilgern, als Dankeschön für rasche Genesung, zum Seelenreinigen und zur weiteren Besänftigung himmlischer Mächte?
Doch dann wird mir schlagartig klar, was los ist. Es sind diese herrlich rotorange leuchtenden Ziegeldächer. Genau so sehen sie in der Provence auch aus. Ich habe den Anblick geliebt, damals, als ich nach dem Studium zwei Monate kreuz und quer durch Südfrankreich gefahren bin. Da gab es auch so tolle Gemüseläden und Feinkostgeschäfte, fällt mir auf einmal wieder ein. Und die Leute hatten irgendwie alle die Ruhe weg. Genau wie hier die Einheimischen unten am See. Hektik gibt’s da einfach nicht. Dafür jederzeit gerne ein kleines Schwätzchen.
Heiße Sehnsucht steigt in mir auf. Und ein unglaublich beschwingter Tatendrang.
Das ist es. Ich werde mir was richtig großes Gutes tun. Genau wie Renate damals mit ihrer Australienreise. Nach der Strahlentherapie werde ich mit Thomas und Belmondo auf eine schöne lange Frankreichfahrt gehen. Auf den Pfaden meiner Jugend wandeln. Menton, Cannes, Montpellier, Sète – ich komme!
Und wenn ich schon mal in der Gegend bin, könnte ich Thomas für ein, zwei Stündchen in einem von diesen Sukkulentengärten absetzen, die es da unten überall gibt, und einen kleinen Abstecher nach Céret zu Benno machen – was ist schon dabei, einen alten Freund zu besuchen?, schießt es mir durch den Kopf.
Seit Wochen habe ich jeden Gedanken an ihn mit äußerster Strenge verdrängt – aber jetzt, wo es einem von ihnen gelungen ist, sich bis in mein Bewusstsein durchzukämpfen, erscheint mir meine Idee unglaublich verlockend.
Freudestrahlend stelle ich das Basilikumhacken ein und verkünde Neele und Martina meinen bahnbrechenden Entschluss. Nur den Benno-Teil lasse ich sicherheitshalber weg.
Neele schenkt mir Prosecco nach und zwirbelt an ihren Haaren herum. Kein gutes Zeichen.
»Träume sind wichtig, hab ich vorhin selber gesagt«, windet sie sich. »Aber sie müssen schon ein klitzekleines bisschen mit der Realität zusammenpassen, findest du nicht?« Ich nicke brav. Keine Ahnung, was sie mir damit sagen will.
»Gut, dass du’s selber einsiehst. Thomas kriegt doch schon allergische Pusteln im Gesicht, wenn er nur das Wort ›Frankreich‹ hört. Ich weiß nicht, wie es mit Belmondo aussieht, aber normalerweise hassen Katzen Autofahrten. Und der Meidner lässt dich nie im Leben für vier Wochen in Urlaub, nachdem du gerade erst drei Monate krankgeschrieben warst. So viel zum Thema Traum und Realität.«
Na klasse. Es geht doch nichts über Mutmacher und Optimisten im Freundeskreis. Hoffnungsvoll schaue ich Martina an. Vielleicht lässt die wenigstens ein paar gute Haare an meinem Spontanprojekt.
Aber sie wendet den Blick ab. »Du, öh, apropos Thomas. Ich hab da was auf dem Herzen, was ich dir schon eine ganze Zeit sagen will. Hoffentlich verderb ich dir jetzt damit nicht das Wochenende, aber ich finde, als eine deiner besten Freundinnen hab ich einfach die Pflicht, es dir zu sagen.«
Die Frau spricht in Rätseln. Und überhaupt, wieso redet sie auf einmal von Beste-Freundinnen-Pflichten? Hat sie vorhin irgendwelche einschlägigen Schwingungen von mir mitbekommen? Steht sie im Gegensatz zu mir in telepathischer Verbindung mit Pfarrer Fliege? Ist was mit Thomas?
»Es ist wegen Thomas.«
Eine Adrenalinwelle überspült mich, groß genug für eine mehrstufige Herzverkrampfung. »Mensch, Martina, mach’s nicht so spannend. Was ist los? Hast du ihn mit einer anderen Frau gesehen?«
»Nein, nein,
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