Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
davon, wenn wir im Alter wieder eine WG aufmachen würden? Natürlich behindertengerecht ausgebaut, mit einem eigenen Badezimmer für jede von uns und Einliegerwohnung für einen gut aussehenden, kräftigen Krankenpfleger.«
Neele nimmt einen großen Schluck von ihrem Campari Soda und schaut uns Beifall heischend an.
»Ich meine, Martinas Kinder sind dann aus dem Haus. Und eure Männer suchen sich doch eh spätestens mit 65 was Jüngeres. Wenn wir erst mal so alt sind, liegt das Männerangebot für uns quasi bei null, wenn man von Pflegefällen auf der Suche nach gerontologischer Betreuung mal absieht. Da können wir es uns doch unter uns Mädels so richtig gut gehen lassen. Wenn wir sparsam genug leben, ist vielleicht sogar jedes Jahr ein WG-Ausflug nach Jamaika drin!«
Mmmhh, Jamaika. Martina und ich kichern unerwachsen und schauen verträumt in die Palmwedel über uns. Wir sitzen faul im warmen Sonnenschein auf der Terrasse einer Bar am Gardasee und werfen den Enten Grissinistückchen zu. Die Luft riecht nach Frühling und nach den Zitronenbäumen an der Uferpromenade.
Kaum zu fassen, dass unsere Lieben in München in diesem Moment immer noch mit den Graupelschauern eingedeckt werden, die wir gestern am Brenner hinter uns gelassen haben. Gardasee unterm frisch blauen Märzhimmel – ein wahrhaft göttliches Gefühl. Und garantiert mindestens genauso gut für die Gesundheit wie Vitalpilze und Ginkgo-Infusionen.
»Finde ich eine super Idee, das mit der Alte-Mädels-WG«, sage ich und blinzele durch meinen Bergkristall auf das blaugrüne Wasser des Sees. »Ist halt noch ein bisschen weit weg. Und ich will mir ja eigentlich nicht mehr so viele Gedanken um die Zukunft machen. Ihr wisst schon, Leben ist jetzt und so.«
»Klar wissen wir das schon, du hast es uns ja seit unserer Abfahrt auch gefühlte elfundneunzig Mal erklärt«, mault Neele. »Trotzdem sollte man auch Träume haben. Und Projekte für die Zukunft. Das hält jung und dynamisch. Martina, was meinst du denn dazu?«
Martina fläzt sich gerade sehr undynamisch in ihrem Korbstuhl herum. Mit Muße steckt sie sich eine von den grünen Oliven in den Mund, die wir zu unseren Drinks serviert bekommen haben.
»Tja, also, Träume sind super, klar. Hmm. Andererseits hab ich die Kinder, da muss ich zwangsläufig auf dem Teppich bleiben. Annika hat uns zwar letzte Woche wutschnaubend verkündet, dass wir sie voll ankotzen und dass sie deshalb so schnell wie möglich ausziehen will. Aber Nico und Lea werden uns wohl noch ein paar Jahre erhalten bleiben. Na ja, und Stefan sagt mir ständig, dass er ohne mich überhaupt nicht leben könnte. Da finde ich es irgendwie illoyal ihm gegenüber, mein Alter ohne ihn zu planen …«
Illoyal – dass ich nicht lache. Spontan will ich Martina über die Frau mit den feuerroten Haaren ins Bild setzen. Doch Neele wirft mir einen warnenden Blick zu, und ich schlucke widerwillig runter, was mir schon auf der Zunge lag. Ich möchte Martina ja auch nicht unser Ferienwochenende verderben.
Trotzdem finde ich, dass irgendeine moralische Instanz in unserem Lande mal verbindlich klären sollte, was in solchen Fällen nun wirklich das beste Verhalten unter besten Freundinnen ist: reden oder nicht reden?
Vielleicht schreibe ich ja mal einen Brief an Dr. Dr. Rainer Erlinger, den Gewissensmann des SZ-Magazins . Oder an Pfarrer Fliege. Da die beiden mir aber im Augenblick unter keinen Umständen weiterhelfen können, bleibt mir nichts anderes übrig, als das Thema zu wechseln.
Wie gut, dass das umständehalber ziemlich einfach ist: »Einigen wir uns doch einfach darauf, dass wir heute nicht weiter planen als bis zur nächsten Mahlzeit. Wollen wir bei Luigi Spaghetti vongole essen gehen, oder kochen wir zusammen was Schickes?«
v v v
Martina war mehr für Essengehen. Sie wurde aber von Neele und mir überstimmt. Wir beide waren einfach hin und weg von den appetitlichen Auslagen der kleinen Lebensmittelgeschäfte entlang der Altstadtgassen: hausgemachte Steinpilzravioli und Trüffeltaglierini, frische Gardaseeforellen, gut abgehangene Parmaschinken und beeindruckend große Mortadellas, die wunderbarsten italienischen Käsespezialitäten, verlockende Zabaione-Krapfen. Und natürlich diese herrlichen Obst- und Gemüseläden. Frisches Basilikum in großen duftenden Bündeln, leuchtend rote Datteltomaten, fingerdünne junge Zucchini, zartgrüne Salatsprossen, dicke violett-weiße Knoblauchknollen.
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