Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
ich nach »Warum ist deine Erektionsstatistik nur so dermaßen lausig?« und »Gib doch zu, dass du nur noch auf vegetative Stecklingsvermehrung stehst!« noch so keifte, habe ich erfolgreich verdrängt.
An Thomas perlte das alles sowieso einfach ab. Während ich schrie und heulte, saß er schweigend am Tisch, hörte dem Ticken der Küchenuhr zu und schob Brotkrümel von links nach rechts und wieder zurück. Nur einmal blickte er auf, sah mich nachsichtig an und sagte: »Aber Engel, Sex ist nicht alles. Und die Beischlaffrequenz lässt im Laufe einer Ehe schon allein aus hormonellen Gründen beträchtlich nach, das ist statistisch erwiesen. Dafür wachsen Liebe und Vertrautheit – das ist es doch, was zählt. Reicht dir das denn nicht?!«
Nein, es reichte mir nicht. Ich wurde immer verzweifelter. Ich quälte mich mit Selbstvorwürfen von »Ich gefalle ihm nicht mehr« bis »Ich schaffe es nicht, seinen G-Punkt zu finden«. Als ich eines Tages in der Zeitung unter der Überschrift »Oversexed und underfucked« einen ganzseitigen Artikel über die Allgegenwart des Sexuellen in der westlichen Gesellschaft entdeckte, bekam ich einen hysterischen Anfall. Und auf der Straße musste ich mich ungeheuer zurückhalten, um nicht jeden halbwegs attraktiven Mann, der des Weges kam, lüstern ins nächstgelegene Hotelzimmer zu zerren.
In diesem desolaten Zustand war ich, als Neele damals Martina und mich in die neu eröffnete »Kinky Bar« einlud.
Schon beim ersten Blick auf die Cocktailkarte wäre ich fast in Tränen ausgebrochen. Aber dann dachte ich: Lieber austrinken als reinheulen, und bestellte im Laufe des Abends hintereinanderweg alles, was mich anmachte. Erst einen »Sex on the Beach«. Dann einen »Latin Lover«, dann einen »Porno-Wodka« und dann einen »Barman’s Sperm«.
Nach dem zweiten »Orgasm« wurde mir schwindlig. Ich beschloss, sicherheitshalber auf Wein umzusteigen, und bestellte ein Viertel Liebfrauenmilch. Die gab mir den Rest.
Auf der Suche nach einem festen Halt für meine Augen starrte ich aus dem Fenster auf die andere Straßenseite. Da hing ein riesiges Plakat für Armani-Unterwäsche. Mit einem extrem sexy Unterwäsche-Model. Hemmungslos lechzte ich seinen ausgebeulten Slip an.
»Ey, Mädels, habt ihr schon gesehen, wie prächtig der Kerl ausgestattet ist? Also mit dem würde ich jetzt am liebsten für neuneinhalb Wochen auf eine einsame Insel fliegen«, lallte ich. Und dann fing ich hemmungslos an zu flennen.
Ich kann mich umständehalber nicht mehr so genau daran erinnern, was ich Martina und Neele damals eigentlich alles erzählt habe. Aber es muss offenbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Sonst würden die beiden mich hier und jetzt nicht so besorgt anschauen.
»Jetzt guckt nicht so komisch. Genießt lieber die Aussicht auf den See. Sonst hätten wir auch in München bleiben können«, sage ich leichthin und wende mich wieder meinem Basilikum zu. »Ich find’s ja süß von euch, dass ihr euch solche Sorgen um mich macht. Aber das ist alles schon lange kein Thema mehr, das wisst ihr doch.«
Nach dem Riesenkater damals habe ich beschlossen, mich mit Thomas zu arrangieren. Liebe ist wichtiger als Sex. »Suche impotenten Mann fürs Leben« ist da eigentlich gar nicht so weit hergeholt.
»Und seit ich krank war, geht bei uns in der Kiste wieder die Post ab. Hab ich euch neulich erst erzählt. Also, ihr seht: inzwischen alles bestens. Kommt, darauf trinken wir einen!«
Fröhlich proste ich meinen beiden Freundinnen zu, verdrücke mich in die Küche, um noch eine Flasche Prosecco zu holen, und hoffe insgeheim, dass bis zum altersbedingten Rückgang meiner Libido zwischen Thomas und mir auch alles bestens bleibt.
9
V or der Strahlentherapie hatte ich ja schon ein bisschen Schiss. Dank mitfühlender Mitmenschen aus der »Krebs?-Da- muss-ich-Ihnen-gleich-was-erzählen«-Abteilung schwirrten mir diverse Spukvorstellungen im Kopf herum, von Strahlenblues bis Verbrennungsgefahr.
Doch Renate winkte ab, als ich ihr vor dem ersten Termin von meinen Befürchtungen erzählte: »Das ist nicht der Rede wert. Du wirst sehen, das Schlimmste daran ist, dass man für die paar Sekunden Strahlen jeden Tag ins Krankenhaus muss und da ewig im überfüllten Wartezimmer rumhockt, bevor es losgeht.«
Inzwischen habe ich vier von den sechs Wochen hinter mir, und ich muss sagen: Sie hat mal wieder recht gehabt. Der Einzige, der im Augenblick möglicherweise leidet, ist Thomas. Denn an der
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