Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
geräuschlos an Drahtseilen hinuntergleiten, die Scheiben zerschlagen und mich mit vorgehaltenen Maschinenpistolen zwingen, mich zu ergeben. Dabei habe ich die gestern Nacht im Traum so deutlich vor mir gesehen, dass ich vor Schreck schreiend aufgewacht bin. Das schlechte Gewissen wahrscheinlich.
Oder zu viele Tatorte .
Ich kann nicht glauben, dass ich tatsächlich hier bin. Mut und Entschlossenheit gehören ja normalerweise nicht zu meinen herausragenden Eigenschaften. Doch die Wut bringt ganz neue Seiten an mir zum Vorschein.
Sicherheitshalber lasse ich das Licht aus und warte ein Weilchen reglos am Türrahmen. Ruhig Blut, Sandra. Bisher ist doch alles nach Plan gelaufen. Ich habe das Grünthal-Event unauffällig verlassen, als Herr Dr. Schnurer nach einer selbst für seine Verhältnisse verblüffend langweiligen Rede endlich das Buffet eröffnet hat.
Die geladenen Gäste, die bis dahin nicht nur diverse Ansprachen, sondern auch ein Demo-Video über Grünthals neue patentierte Elektro-Bodenhacke sowie musikalische Divertimenti von Marianne und Michael sowie Überraschungsgast Tony Marshall über sich ergehen lassen mussten, sahen zu diesem Zeitpunkt schon alle sehr geschwächt aus. Entsprechend groß war der Ansturm auf Speisen und Getränke.
Das Letzte, was ich im Wegschleichen sah, war der Meidner, wie er an vorderster Front um Häppchen rangelte. Er wird mich während der nächsten Stunden mit Sicherheit nicht vermissen.
Ich hole noch einmal tief Luft, dann schalte ich die Deckenbeleuchtung ein. Viel unauffälliger als die Kopflampe, die Neele mir aufschwatzen wollte. Da denkt doch jede vorbeifahrende Streife gleich, sie hat einen Einbrecher entdeckt.
Und dann ist alles ziemlich einfach. Eigentlich geradezu kränkend einfach. Joe muss uns alle für brave Schafe halten, dass er sich so wenig Mühe gibt, gewisse »sensible« Dateien vor uns zu verstecken. Als Chef das eigene Passwort sozusagen ans Schwarze Brett zu hängen ist das eine. Aber einschlägigen Ordnern dann auch noch ganz korrekte Namen zu geben, das ist wirklich leichtsinnig.
Oder einfach nur blöd.
Demütig danke ich den himmlischen Mächten dafür, dass Joe meine Anregungen zum Thema Datenschutz grundsätzlich mit gelangweilter Missachtung honoriert hat. Das erlaubt mir jetzt, ganz ohne langes Rumsuchen herauszufinden, was er wirklich von mir hält. Mit der coolen Präzision eines Danny Ocean öffne ich den Ordner »Mitarbeiterbeurteilungen« und klicke auf das Dokument »S. H.«.
Okay, okay, ich geb’s ja zu. Ganz so cool wie George Clooney bin ich nicht. Offen gestanden zittern mir sogar ziemlich die Hände.
Erst flimmern die Zeilen vor meinen Augen, so nervös bin ich. Doch dann schaffe ich es, mich zu konzentrieren. Und in dem Maß, in dem Joes »Beurteilung« meinen Verstand erreicht, weicht meine Nervosität einem heiligen Zorn.
»Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass S. H. kein Potenzial mehr hat. Sie ist nicht mehr in der Lage, maximale Leistung zu bringen, und wirkt zunehmend verbraucht. Mittelfristig Freisetzung erforderlich, um längerer Krankschreibung wegen Burn-out zuvorzukommen. Zuvor unbedingt Wissenstransfer an Nachfolger/in sicherstellen, ggf. durch befristete Doppelbesetzung der Position.«
Ungläubig starre ich auf das Datum. 2. Januar.
Vor der Messe in Berlin.
Vor meiner Krankheit.
Erinnerungsfetzen flattern mir durch den Kopf. »Und deine Beförderung demnächst, die will ja auch irgendwie finanziert sein.« »Ich werde mich persönlich darum kümmern, dass meine beste Kraft so schnell wie möglich wieder zu Kräften kommt.« »Ich hab mit Ferdi abgesprochen, dass dein Gehalt aufgestockt wird, wenn du wieder da bist und der Manuel wieder weg.«
So ein Riesenarschloch. Eiskalt angelogen hat er mich. Wahrscheinlich, damit ich auch noch das Letzte aus mir raushole. Und dann hat er meine Erkrankung ausgenutzt, um vor meiner Nase und mit meiner Hilfe meinen eigenen Nachfolger aufzubauen.
Und ich, ich habe von dem ganzen Spielchen nichts gemerkt. Ich bin wirklich ein Schaf.
Aber jetzt ist Schluss mit Blöken. Ich spüre förmlich, wie ich mich von lammfromm in pitbullgefährlich verwandele. Joe kann von Glück sagen, dass er gerade nicht in meiner Nähe ist, sonst würde ich mit Freuden Spareribs aus ihm machen.
Ich widerstehe der Versuchung, auch die Beurteilungen für M. W., R. S. und E. S. zu lesen, und zücke meinen mitgebrachten USB -Stick. Großzügig kopiere ich alles, was mir auch nur halbwegs
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