Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
schonungslosen Selbstkritik ist es schwer zuzugeben, dass man sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.
»Weißt du was? Wir hauen jetzt hier ab und gehen erst mal einen trinken!«, sagt Renate. »Ich hab eh gleich Feierabend.«
»Aber ich nicht! Ich hab noch Berge von Arbeit für das Grünthal-Event auf dem Schreibtisch, und durch den Krach mit Manuel hab ich so viel Zeit verloren, dass ich heute bestimmt bis nach Mitternacht im Büro bleiben muss, wenn ich das alles schaffen will!«
»Sag mal, Sandra, wie blöd bist du eigentlich? Da hast du gerade erst erfahren, dass dein Chef dich feuern will – und denkst trotzdem nur an deine Arbeit? Wenn du deinen Job sowieso verlierst, können dir die Schnurers dieser Welt doch völlig egal sein!«
Entrüstet will ich Renate einen Kurzvortrag über Professionalität und Arbeitsethos und Verantwortung halten. Doch dann macht es klick in meinem Kopf, und mir dämmert: Sie hat wie üblich recht.
Außerdem brauche ich jetzt auf den Schock sowieso erst mal einen Drink. Oder zwei.
Kurz entschlossen klopfe ich bei Joe an, murmele was von »Muss leider kurzfristig zum Arzt« und setze darauf, dass er es sich schon wegen meiner verheulten Augen nicht antun wird, mich intensiver zu den Gründen für diesen spontanen Arzttermin zu befragen.
Manche Dinge wollen Chefs dann eben doch nicht unbedingt wissen. Vor allem, wenn die Dinge was mit Tränen, Krankheiten und ähnlich lästigen Umständen zu tun haben könnten.
Eine halbe Stunde später sitzen wir in der kuscheligen Plüschatmosphäre vom ›Tambosi‹ am Odeonsplatz bei unserem zweiten Glas Rotwein. Im Parterre ist der Laden schon ziemlich voll, aber im ersten Stock, wo diese gemütlichen gepolsterten Sesselchen stehen, ist es zu dieser Tageszeit wie immer fast leer. Langsam erhole ich mich vom ersten Schreck.
»Ich glaub schon, dass Manuel die Wahrheit gesagt hat. Aber wir sollten trotzdem Beweise finden, bevor wir uns über alles Weitere Gedanken machen«, schlägt Renate vor. Offenbar beflügelt durch den guten Vino, hat sie schon wieder auf Sherlock-Holmes-Modus umgeschaltet.
»Und wie willst du das machen? Joe entführen, fesseln und ihm so lange Ohrenhaare rausreißen, bis er zugibt, dass er mich feuern will?«
Renate schüttelt sich. »Iihhh, hör auf!«, quiekt sie. »Nee, ich hatte eher an die gute alte Spurensicherung gedacht. Du müsstest dich halt mal gründlich in seinem Büro umschauen. Oder, besser gesagt, in seinem Rechner. Der Meidner hat doch diese Aktennotizenmanie. Vielleicht hat er ja was aufgeschrieben. Diese komische ›Mitarbeiterbeurteilung‹, von der er Manuel erzählt hat, klingt jedenfalls so.«
Ich denke nach. Einerseits weiß die gesamte Firma, dass Joe sein Passwort mit Tesafilm unter die Tastatur geklebt hat, weil er unfähig ist, es sich zu merken. An seine Daten ranzukommen wäre also gar nicht mal das Problem. Andererseits: Was wird mir diese ganze Aktion bringen außer herzinfarktverdächtigen Adrenalinschüben? Wenn der Meidner mich feuern will, wird er das tun, ob ich nun irgendwelche Beweise dafür finde oder nicht.
»Das bringt doch alles nix. Außerdem habe ich keine Ahnung, wie ich in sein Büro kommen soll. Dafür hast ja noch nicht mal du den Schlüssel!«
»Ich nicht. Aber meine liebe alte Freundin Erika Schoppel. Der Vater vom Meidner hat ihn ihr damals gegeben, und nach seiner Amtsübernahme hat Joe sich nicht getraut, ihn wieder zurückzufordern. Wozu auch, sie gehört für ihn quasi zum Inventar. So behandelt er sie übrigens auch«, fährt sie nachdenklich fort. »Ich werde sie einfach mal fragen. Mehr als Nein sagen kann sie nicht. Verraten wird sie uns jedenfalls bestimmt nicht.«
Renate sieht mir offenbar an, dass ich von ihrem Plan nicht gerade begeistert bin. »Mensch, Sandra, gestern hast du mir noch die Ohren vollgejammert, wie sehr du deinen Job hasst, und heute guckst du so, als ob du dich am liebsten auf die Gleise werfen würdest vor lauter Angst davor, dass der blöde Meidner dich feuert! Das darf ja wohl nicht wahr sein! Noch nie was von den Bremer Stadtmusikanten gehört? ›Etwas Besseres als den Tod findest du überall!‹ Wo bleibt dein Kampfgeist, verdammt noch mal?«
Gute Frage. Mein persönlicher Kampfgeist hat von Haus aus eher wenig Ähnlichkeit mit sowjetischen Kugelstoßern. Und heute ist er mir im Laufe dieser zahlreichen anstrengenden Diskussionen irgendwie völlig abhandengekommen. Ich bin nur noch müde und will dringend ins Bett. Mich
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