Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
interessant vorkommt. Bei dem Ordner »Blackies« achte ich besonders genau darauf, dass wirklich alle Dateien auf meinem Stick landen. »Blackies« ist Joes Lieblingsausdruck für Schwarzgeld. Natürlich benutzt er das Wort nur in allgemeiner Hinsicht. In unserer Firma geht schließlich alles mit rechten Dingen zu.
Nachdem ich den PC wieder ausgeschaltet habe, beschließe ich, auch einen Blick in Joes Schränke zu werfen, wo ich schon mal da bin. Der Inhalt ist eher enttäuschend. Ein Haufen alte Messekataloge. Aktenordner aus den 90er-Jahren mit abblätternden Etiketten. Vier Kartons von diesen hässlichen schlammfarbenen »I-love-Meidner-Fairs«-Werbe-T-Shirts, die kein Mensch anziehen will. Eine Tube getönte Tagescreme. Für Joes hellen Teint deutlich zu dunkel, wie ich nebenbei feststelle. Also deshalb sieht er immer so fleckig aus. Eine Blechdose voller nussfreier Kekse von mir. Da hat sich dieses Sackgesicht im Hinblick auf meine anstehende Kündigung doch tatsächlich schon mal einen kleinen Vorrat angelegt.
Der Erkenntniswert der Schränke hält sich aber insgesamt gesehen in Grenzen. Ich will den letzten schon enttäuscht wieder schließen, da entdecke ich oben links neben einer mehrbändigen Enzyklopädie über Messebautechnik, die offenbar noch aus dem Besitz von Joes Vater stammt, ein weiteres Buch und bleibe an dem Wort »knacken« hängen. Komisches Wort für ein Fachbuch.
Neugierig lese ich den kompletten Titel. Wie Sie den Kündigungsschutz von Betriebsräten, chronisch Kranken und älteren Arbeitnehmern knacken .
Joe Meidner glaubt ja sonst nicht an betriebliche Fortbildung, doch für dieses Spezialgebiet hat er offenbar eine Ausnahme gemacht.
Ich will mich aufregen, aber es ist kein Adrenalin mehr übrig. Alles schon verschossen. Also gut, dann mache ich mal den Abflug.
»Liebe deine Feinde, aber sei schneller als sie«, murmele ich, als ich die Treppe hinunter zum Gebäudeausgang laufe. Und allmählich anfange zu begreifen, was mit diesem Spruch aus Martinas Kalender gemeint ist.
15
W ie gut, dass das an einem Freitagabend war. So hatte ich das ganze Wochenende, um mich wieder halbwegs zu beruhigen. Denn nach diesem heldenhaften Einsatz habe ich erst mal das große Zittern gekriegt. Natürlich in erster Linie vor Wut. Aber auch bei dem Gedanken daran, was mir bei der Nummer alles hätte passieren können. War ja, streng genommen, ein Einbruchdiebstahl, wie Thomas mir besorgt erläuterte. Als ich mit meiner erbeuteten Datensammlung zu Hause eintraf, war er gerade aus Rom zurückgekommen.
»Warum hast du mir denn überhaupt nichts davon erzählt?«, fragte er entrüstet, nachdem ich ihn bei einem größeren Glas Wein über die Hintergründe meiner Aktion ins Bild gesetzt hatte.
»Wollte ich ja. Aber immer, wenn ich ›du, ich muss dir noch was erzählen‹ gesagt habe, hast du mich mit diesem typischen ›Sorry, Engel, jetzt geht’s gerade nicht‹ abgewürgt. Wirklich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass du dich tagelang mit nichts anderem als interpersoneller Kommunikation beschäftigt hast«, fügte ich nach einigem Nachdenken süffisant hinzu. Konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
Dabei war mir gar nicht nach Streit zumute. Die Anspannung der letzten Tage hatte mich fix und fertig gemacht. Jetzt wollte ich nichts weiter als Trost, Verständnis, Nudeln. Und im Idealfall zum Nachtisch ein paar Streicheleinheiten.
Die Nudeln waren schnell gekocht. Auch über mangelndes Verständnis konnte ich mich nicht beklagen, im Gegenteil. Thomas war schockiert über Meidners Verhalten. Empört sprang er auf, wühlte in seinen Kongressunterlagen, fand, was er gesucht hatte, und begann aus einer brandneuen Studie über Formen und Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz zu zitieren.
Ich beschränkte mich darauf, zuzuhören und nebenbei zwei Teller Spaghetti mit Pesto zu verdrücken.
Am Anfang war ich total fasziniert. Nicht nur von meiner selbst gemachten Basilikumpaste, sondern auch von der Studie. Sie hatte den vielversprechenden Titel »Rache am Chef – Von der inneren Kündigung zum Kalten Krieg«. Aufmerksam lauschte ich Thomas. Schon allein in der Hoffnung auf die eine oder andere Anregung.
Doch Thomas interessierte sich mal wieder für ganz andere Fragen als ich. Anstatt gleich zur Sache zu kommen, referierte er ausufernd Statistiken zur Wahrscheinlichkeit salutogener Sabotageakte durch schikanierte Mitarbeiter.
»Gibt’s da nicht auch ’n paar konkrete Beispiele?«, unterbrach ich ihn
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