Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Weile beginnen die vielen Titel vor meinen Augen zu flimmern. Ich wende meinen Blick ab, lasse ihn zur Entspannung durch den Laden wandern und sehe – Benno!
Mein Puls beschleunigt wie Michael Schumacher im entscheidenden Rennen um den siebten Weltmeistertitel. Ich spüre, wie ich noch feuerröter werde als damals im Büro, als ich den Zettel mit seiner Handynummer gefunden habe. Benno sieht zum Anbeißen aus, wie er so dasteht in Jeans und Wildlederjacke. Und er hat einen so verträumten Gesichtsausdruck, vielleicht denkt er ja gerade an mich …
Ein Wiedersehen. Endlich. Meine Gedanken rasen. Es ist mir egal, ob ich ihn danach nie wiedersehe – Hauptsache, ich darf ihm noch einmal in die Augen schauen. Noch einmal seine Hand berühren.
Ich bete, dass meine Wimperntusche seit heute Morgen ausnahmsweise nicht verwischt ist, hole tief Luft und mache einen Schritt auf ihn zu.
Und dann fünf überstürzte zurück.
Denn in diesem Moment tritt eine gut aussehende Frau mit langen glatten dunkelblonden Haaren an seine Seite, legt den Arm um seine Hüfte, gibt ihm einen leidenschaftlichen Zungenkuss und murmelt lasziv: »Na, hast du was Schönes zu lesen gefunden?«
Entsetzt verstecke ich mich hinter dem Regal mit den Beziehungsratgebern und versuche, meine Gedanken zu sortieren. Als der erste Schock abgeebbt ist, wird mir klar, dass sich das mit dem lasziven Gemurmel und dem Zungenkuss wohl nur in meiner Fantasie abgespielt hat.
Aber der Rest, der entspricht der Wahrheit. Frau, gut aussehend, lange Haare, gertenschlank. Mit meinem Benno, Arm in Arm.
Sag mal, bist du jetzt eigentlich von allen guten Geistern verlassen?, durchbricht eine schneidende Stimme meine Schreckstarre.
Oh Mann, kann der nicht auch mal in Urlaub sein? Oder auf Fortbildung? Aber nein, mein innerer Staatsanwalt steht kerzengerade auf einem Sondertisch mit Bestsellern von Eva-Maria Zurhorst und wirft zornig ein Exemplar von Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest nach mir.
Ich ducke mich, auch um seinem bohrenden Blick zu entkommen, aber es hilft nichts.
Sandra Heller, wie kannst du allen Ernstes erwarten, dass sich Benno seit damals in Berlin vor Sehnsucht nach dir verzehrt und keine andere Frau mehr anschaut? Vergiss den Quatsch mit der Seelenverwandtschaft – das redest du dir doch nur ein, um deinen Seitensprung vor dir selbst zu rechtfertigen! Schau, dass du zurückkommst zu deinem Mann an den Flugsteig, freu dich auf deinen Urlaub, und sei endlich zufrieden mit dem, was du hast!
Missbilligend starrt mein Staatsanwalt mich an.
Außerdem hast du doch seitdem mindestens anderthalb Kilo zugenommen, da wird Benno sowieso nichts mehr von dir wissen wollen!, donnert er noch, dann ist er weg.
Ich bleibe am Boden zerstört zurück. Jetzt nur nicht auch noch dem jungen Glück in die Arme laufen, das hätte mir gerade noch gefehlt. Möglichst unauffällig verlasse ich den Buchladen und verschanze mich im Pralinenladen gegenüber. Ich brauche erst mal ganz dringend was Süßes.
v v v
Schokolade mit 85 Prozent edlem venezolanischem Criollo-Kakao. Meine Rettung. Wobei mir völlig egal ist, ob der Kakao aus Venezuela kommt oder aus der Lüneburger Heide. Hauptsache viel. Kakao enthält nämlich Magnesium, und das ist das Anti-Stress-Mittel schlechthin. Weiß ich aus Erfahrung.
Gierig verschlinge ich die ersten beiden Riegel und spähe durch das Schaufenster des Pralinenladens hinüber zum Buchshop. Keine Spur mehr von Benno und seiner blonden Gespielin. Gut so. Ich hätte seinen Anblick nicht noch mal ertragen.
Hin- und hergerissen zwischen Trauer und Erleichterung drehe ich mich um. Komm schon, Sandra. Abschied von gestern.
Ich gebe mir innerlich einen Ruck und will losmarschieren, stolpere jedoch gleich beim ersten Schritt über ein schwarzes Boardcase, das irgendein Idiot genau hinter mir abgestellt hat.
Reflexartig klammere ich mich an einen Männerarm, der sich mir hilfreich entgegenstreckt. In Sekundenbruchteilen wird mir klar, dass dieser Arm mich vor einem Desaster irgendwo zwischen Bänderriss und Schneidezahnverlust bewahrt hat. Wartezimmer statt Ferienflieger – genau das halt, was man kurz vor Abflug immer schon mal erleben wollte.
Vor lauter Schreck noch ganz wackelig, richte ich mich mühsam auf, puste mir die Locken aus der Stirn, suche das zu dem rettenden Arm gehörende Gesicht – und schaue direkt in Bennos Augen.
»Sandra!«, ruft er und strahlt übers ganze Gesicht. »Wenn du wüsstest, wie ich mich freue,
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