Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
dich wiederzusehen! Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit …«, fügt er leise hinzu. In seinem Blick lese ich Melancholie.
Melancholie! Ich fasse es nicht. Was soll das Theater? »Na, diese Ewigkeit hast du doch prima genutzt, um dir was Neues zu suchen!«, platzt es aus mir heraus.
Benno schaut jetzt ausgesprochen verwirrt.
»Also bitte, ich mag zwar kein Superhirn sein, aber blöd bin ich deshalb noch lange nicht!«, gifte ich. »Oder willst du mir jetzt weismachen, dass diese blonde Grazie vorhin im Buchladen deine Schwester war?«
Zornig starre ich ihn an. Und kann leider nicht verhindern, dass meine Augen feucht werden.
Verdammt.
Benno nimmt meine Hand. Sein Duft nach Zedern und Lavendel steigt mir in die Nase. »Nein, Sandra. Du hast recht. Das war nicht meine Schwester.«
Komm schon, raus damit, dann habe ich es hinter mir und kann mich endlich in mein Schicksal fügen.
»Das war meine Cousine Margarethe. Sie und ihr Mann haben in der Nähe von Rom ein Haus, oder besser gesagt eine Ruine, gekauft und mich gebeten, ihnen bei der Bauplanung zu helfen«, sagt Benno. Und lächelt.
»Du wirst mir das jetzt vielleicht nicht glauben, Sandra, aber ich hab dich sehr vermisst. Und ich bin seit Berlin noch nicht mal auf den Gedanken gekommen, mir ›was Neues‹ zu suchen. Obwohl du verheiratet bist, obwohl du ganz woanders lebst als ich … Ich kann mir das selbst nicht richtig erklären.«
In diesem Augenblick fällt alle Anspannung der letzten Monate von mir ab. Selig lasse ich mich an Bennos Brust sinken. Er schließt mich ganz fest in die Arme, die Pralinenverkäuferin guckt verlegen zu Boden, und ich wünsche mir, dass er mich nie wieder loslässt.
Offen gestanden wünsche ich mir auch, wenigstens für ein Viertelstündchen so wagemutig zu sein wie diese selbstbewussten Frauen in den amerikanischen Spielfilmen. Dann würde ich Benno verführerisch lächelnd in die nächstgelegene Damentoilette locken, ihm die Hose vom Leib reißen, seinen knackigen Po mit meinen Beinen umklammern und mit ihm atemberaubenden Sex auf dem Waschbecken haben.
Meine sämtlichen Sinneszellen vibrieren vor Lust. Sehnsüchtig starre ich auf das kleine Stückchen zarte Bennohaut, das aus dem Ausschnitt seines Hemds hervorschaut.
»Wollen wir vielleicht einen Kaffee trinken gehen?«, höre ich mich schließlich schüchtern fragen. So viel zum Thema Wagemut.
Bennos Flieger hat auch Verspätung. Also sagt er seiner Cousine kurz Bescheid, und dann ziehen wir uns in den hintersten Winkel eines Coffeeshops zurück. Es gibt so viel zu erzählen …
Unsere Hände und Augen sind unzertrennlich, während Benno von seinen ersten Monaten in Céret berichtet und ich von meinen letzten Monaten mit Joe Meidner.
»Und was ist mit deinem Mann?«, fragt Benno schließlich und versucht, möglichst unbeteiligt zu schauen. »Bist du glücklich?«
Ich zucke zusammen. Dieser Frage gehe ich sonst eigentlich so konsequent aus dem Weg wie FDP -Wahlkampfständen in der Fußgängerzone.
Angestrengt rühre ich in meinem Latte macchiato, bis sich auch das letzte Körnchen Zucker aufgelöst hat. »Das ist bei langen Beziehungen doch immer ein komplexes Thema«, sage ich schließlich leichthin. »Die rosarote Brille hat man lange schon abgesetzt, aber man kennt sich, man fühlt sich wohl miteinander, man hängt aneinander, es gibt so viele kleine gemeinsame Gewohnheiten …«
Benno schaut mich an.
Auf meine Frage gibt es nur zwei ehrliche Antworten, denkt er, ja – oder nein. Ich kann es so deutlich sehen, als hinge wie im Comic eine Gedankenblase über ihm. Verlegen rede ich weiter.
»Wir sind jetzt schon so lange zusammen, und Thomas hat mir so beigestanden, als ich ziemlich krank geworden bin …« An dieser Stelle guckt Benno besorgt und fragend, aber wenn ich ihm das auch noch alles erzähle, werde ich meinen Flieger verpassen.
»Ach, Benno, was du damals in Berlin zu mir gesagt hast – ›Komm doch einfach mit nach Frankreich‹ –, das habe ich immer noch nicht vergessen …«
Benno sieht mich an. Ich hole tief Luft. »Kannst du dir das immer noch vorstellen?«, will mein Herz fragen. »Wollen wir es einfach versuchen?«
»… aber ich trau mich einfach nicht«, höre ich meinen Verstand sagen. Und weiß auf einmal, dass das, genau das die traurige Wahrheit ist.
Wie damals mit Markus, als er nach Burkina Faso ging und ich mich Thomas und seinem beruhigend berechenbaren Versicherungsmathematikerleben an den Hals warf, anstatt mit meiner
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