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Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman

Titel: Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Reinker
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Zweisamkeit im neuen Nest zu freuen, wie es meinem Lebens- und Beziehungsalter angemessen wäre. Ich selber weiß es jedenfalls nicht. Oder nur ein bisschen.
    Kurz erwäge ich tatsächlich, meine Mutter um Rat zu bitten. Doch dann widerstehe ich der Versuchung. Wer weiß, wohin das wieder führen würde?
    Erstens traue ich ihrem Instinkt zu, hinter meinem vagen Allgemeinfrust meinen ziemlich präzisen Sexfrust zu wittern. Und wenn ich eines auf gar keinen Fall will, dann ist es, mit meiner Mutter »mal ganz offen« die möglichen Hintergründe unserer miesen Beischlaffrequenz zu erörtern.
    Selbst wenn sie anschließend darauf verzichtete, hinter meinem Rücken Erika-Berger-mäßig besorgte Telefonkonferenzen mit ihrem Schwiegersohn zu führen (eine ausgesprochen grauenhafte Vorstellung), müsste ich zweitens auf alle Fälle damit rechnen, dass sie sich energisch in die Suche nach unserem Traumhaus einschaltet. Und die geschätzten 1.125 Objekte, die sie für uns findet, alle mit uns zusammen besichtigen möchte.
    Dann doch lieber Themawechsel.
    »Wie geht’s eigentlich Papa? Und überhaupt: Wo steckt er denn gerade?«
    Sehr originell. Mein Kommunikationstalent scheint sich umgekehrt proportional zu meiner Faltentiefe zu entwickeln. Genau wie mein Sex-Appeal – halt, das hatten wir schon. Frau Heller, manchmal könnte man meinen, Sie seien leidenschaftliche und überzeugte Masochistin, so wie Sie sich ständig in Selbstvorwürfen suhlen.
    »Wo soll dein Vater schon sein, an einem verregneten Sonntagnachmittag? In seinem Zimmer, bei seiner elektrischen Eisenbahn!«
    Seufzend wendet sich meine Mutter wieder unserem Teig zu und schneidet ihn sorgfältig in dünne Streifen. Sie scheint es bis auf Weiteres aufgegeben zu haben, mein Inneres zu erforschen. Gerettet. Erleichtert helfe ich ihr, die Streifchen auf ein Backblech zu legen und mit Eischneemasse zu bepinseln.
    Meine Eltern. Auf den ersten Blick wirken sie ja wie eine Erfindung aus einem von diesen Familienfilmen von Walt Disney. Mutter passionierte Zuckerbäckerin, Vater passionierter Zugführer.
    Kurz stelle ich mir vor, wie ein Miniaturgüterwagen, beladen mit Keksen meiner Mutter, durch die liebevoll angelegte Modelleisenbahnlandschaft meines Vaters rauscht. Ein wunderbares Bild altehelicher Verbundenheit.
    Auf den zweiten Blick allerdings hat sich die alteheliche Verbundenheit meiner Eltern nur deshalb bis heute halbwegs gehalten, weil die beiden nach dem Auszug von Daniel und mir Nägel mit Köpfen gemacht und ihr kleines Einfamilienhäuschen radikal geteilt haben.
    »Entweder, du bleibst in deiner Hälfte, oder ich lass mich scheiden!«, hat meine Mutter irgendwann mit kalter Wut in der Stimme erklärt, als mein Vater mal wieder in geselliger Runde Geschichten zum Thema »Meine Ehe: 1618 bis 1648« zum Besten gab. Er ist da Thomas’ Vater nicht unähnlich. Muss am Y-Chromosom liegen.
    Seitdem haben meine Eltern jedenfalls kein gemeinsames Wohnzimmer mehr und auch kein Gästezimmer. Dafür hat jeder zwei geräumige Zimmer für sich und ein eigenes Bad. Nur die Küche wird gemeinschaftlich genutzt.
    Theoretisch jedenfalls.
    Die Praxis sieht so aus, dass mein Vater sich für sein Eisenbahnzimmer inzwischen Mikrowelle, Wasserkocher und Kaffeemaschine angeschafft hat und daher ernährungstechnisch weitgehend autark ist. Wahrscheinlich ist ihm der ewige Keksgeruch in der Küche zu viel. Oder er will einfach nur seine Ruhe haben.
    Eigentlich keine schlechte Idee, diese Teilung. Vielleicht sollte ich bei zukünftigen Hausbesichtigungen mit Thomas verstärkt darauf achten, ob die Häuser teilungsgeeignet sind. Wer weiß, womöglich wird mir das die Auswahl ein bisschen erleichtern.

17
    A chtung, ein Hinweis für Passagiere gebucht auf Condor 3928 nach Santa Cruz de La Palma: Aufgrund des hohen Flugaufkommens im deutschen Luftraum wird sich der Abflug um circa zwei Stunden verzögern.«
    Thomas und ich schauen uns an. Ich habe ein paar bissige Kommentare auf der Zunge, doch Thomas lächelt beschwichtigend und nimmt meine Hand. »Komm schon, Engel, jetzt schimpf nicht gleich wieder. Immerhin kommt es bei 20,3 Prozent aller Passagierflüge zu Verspätungen. Schau, wir sind nicht die Einzigen, die warten müssen!«
    Das stimmt. Die freundliche Lautsprecherstimme hat inzwischen noch drei weitere Verspätungen angekündigt und ist offenbar noch lange nicht fertig.
    Um uns herum höre ich die Flüche, die ich gerade tapfer heruntergeschluckt habe. So weit das Auge

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