Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
diskret geäußerten Diskussionsbedarf zum Thema »Beischlafhäufigkeit« einzugehen, ergreift Thomas lieber die Flucht. Entweder die Flucht ins Fernsehprogramm. Oder aber, wenn’s da auch wieder nur um Sex geht, die Flucht über die Insel.
Zum Beispiel gleich an einem unserer ersten Abende. Da hat Thomas abrupt den Fernseher ausgemacht, als ein eigentlich harmloser deutscher Fernsehfilm auf einmal doch in eine ausgesprochen heiße Gemengelage mündete.
»Ist doch alles ein Schmarrn. Komm, lass uns runter nach Santa Cruz fahren und am Hafen einen Wein trinken«, meinte er verlegen.
Mir war’s recht. Ist einfach zu frustrierend, wenn auf der Mattscheibe zwei Menschen leidenschaftlich ineinander verkeilt sind, und der angetraute Ehemann sitzt stocksteif auf dem Sofa. Und zwar nicht etwa da stocksteif, wo’s drauf ankommt.
Haha, Sandra, jetzt wirst du vor lauter sexuellem Notstand auch noch zotig. Na super.
Unten in Santa Cruz wimmelte es dann übrigens von Pärchen, die eng umschlungen über die Hafenpromenade bummelten. Es war gerade kurzzeitig trocken, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, vom Regen in die Traufe geraten zu sein. Ich bin eigentlich kein Unmensch, aber anderer Leute Liebesglück wird für mich immer schwerer erträglich.
Vor allem, wenn mal wieder völlig ungebeten eine Erinnerung an diese Begegnung mit Benno am Flughafen in mir aufsteigt. Was wesentlich häufiger vorkommt, als gut für mich und meine Stimmung ist. Denn für Gedankenspiele aller Art ist es nun zu spät. Ich wollte Ruhe in mein Leben bringen. Jetzt habe ich sie.
Vor ein paar Tagen suchten wir unser Heil dann in der Einsamkeit und fuhren hinauf auf den Roque de los Muchachos, seines Zeichens höchster Berg der Insel. Thomas hoffte auf ein paar botanische Entdeckungen. Und ich hoffte auf wenigstens ein bisschen Sonne.
Doch anstatt wie geplant die Wolkendecke zu durchstoßen und im strahlenden Sonnenschein auf Sukkulentensafari zu gehen, wurden Nebel und Regen mit jedem Höhenmeter dichter. Auf dem Gipfel betrug die Sichtweite geschätzte fünf Meter, und es kam, wie es kommen musste.
Nein, eigentlich kam es sogar schlimmer. Denn Thomas verfuhr sich nicht nur hoffnungslos in der trüben Suppe. Er nahm sie auch zum Anlass, mir einen längeren Vortrag über das stabile Herbstwetter im Engadin zu halten. Genau das, was man so hören möchte, wenn man seinen sauer verdienten Jahresurlaub bei gefühlten zehn Grad und monsunartigen Niederschlägen verbringt.
Als mein lieber Mann dann noch meinte, mir den aktuellen Münchner Wetterbericht referieren zu müssen (»freundlich und warm«), hätte ich um ein Haar nach hinten in meine Strandtasche gelangt, dieses blöde Glücksbuch rausgezogen, das Martina mir extra für die Reise mitgegeben hatte, und Thomas damit erschlagen. Dann wäre diese Schwafelsammlung wenigstens zu irgendwas gut gewesen.
Natürlich habe ich das dann doch nicht gemacht. Sondern meine Aggressionen durch mentale Deeskalation und tiefes Durchatmen wieder vollständig abgebaut.
Eigentlich vorbildlich. Nur zur Wiederaufnahme von friedlichem Ferien-Small-Talk hat es dann leider doch nicht gereicht. Weshalb wir seitdem recht schweigsam in unseren »typisch kanarischen Spezialitäten« stochern und lieber unsere Weingläser umklammern, als Händchen zu halten.
Genau wie diese alten Paare, die auf den Terrassen von Touristenrestaurants sitzen und sich von der Bestellung bis zur Rechnung rein gar nichts zu sagen haben. Genau wie ich eigentlich nie werden wollte.
v v v
»Mann, war das ein beschissener Urlaub!« Das Adjektiv kommt etwas vernuschelt raus. Ich habe offenbar schon ein Glas zu viel von dem Rioja getrunken, den Neele uns aus Anlass meiner Rückkehr kredenzt. Und wenn schon. Muss auch mal sein.
»Warum seid ihr auch auf diese öde Spießerinsel gefahren? Mensch, Sandra, du hättest Thomas doch auch zu einem Badeurlaub in Mombasa überreden und dich da diskret nach einem von diesen knackigen Massai umschauen können. Machen andere Frauen doch auch!«
Neeles Wortbeiträge sind wie üblich nicht dazu angetan, meine wunde Seele zu trösten. »Und überhaupt, seit wann herrscht denn bei euch in der Kiste wieder Eiszeit? Ich dachte, seit deiner Krankheit treibt ihr’s wie die Karnickel?«
Noch ein Satz in der Richtung, und ich springe aus dem Fenster. Hoffentlich sagt wenigstens Martina jetzt was Nettes. Etwas, das mir einfach nur guttut, anstatt mich immer tiefer ins Elend zu treiben.
Aber nein, sie haut
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