Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
Gewissen unsere Leidenschaft für Statistiken und Standardtänze ausleben – was mit dir ja wohl völlig unmöglich ist, wie er mir mal gestanden hat«, unterbricht sie sich und wirft mir einen strafenden Blick zu.
Ich schnappe nach Luft. Entrüstet will ich sie fragen, seit wann sie hinter meinem Rücken mit meinem Mann über mich herzieht, aber sie redet ungerührt weiter.
»Jeden Tag mit ihm würde ich genießen, vom Morgenmüsli bis zum Gutenachtkuss. Immer einen so fürsorglichen, ausgeglichenen, klugen, bodenständigen Mann an meiner Seite zu wissen …« Verträumt schaut sie in die Ferne.
Ich bin wie vom Donner gerührt. »Und was ist mit der vegetativen Stecklingsvermehrung? Du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du die auch ganz toll fändest?«, bringe ich schließlich heraus.
»Ach, Sandra«, seufzt sie und schaut mich mitleidig an. »Thomas ist halt knapp zehn Jahre älter als du, ihr seid schon lange zusammen, da lässt selbst die lebendigste Libido irgendwann nach. Jammern hilft da gar nix. Damit kann man sich durchaus abfinden – warum nicht? Platonische Beziehungen können sehr glücklich sein, wenn der Kuschelfaktor stimmt. Immer dieses akrobatische Stellungsgewürge, das geht mir so was von auf den Geist, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen.«
Angewidert nimmt sie noch einen Schluck Wein. Sie unterdrückt ein weiteres Aufstoßen und starrt geistesabwesend ins Leere.
»Also ich persönlich fände ein Platönchen mit einem Mann wie Thomas einfach wunderbar. Und sollte mir wider Erwarten irgendwann doch was fehlen, würde ich ihn mir schnappen und mit ihm zusammen in einen von diesen Tantraintensivkursen gehen. Soll angeblich Wunder wirken.«
Sie zwinkert mir zu, und ich will mich gerade mit dem Rioja und meinem inneren Staatsanwalt in eine längere Diskussion darüber vertiefen, ob ich das mit dem Tantra vielleicht tatsächlich mal ausprobieren sollte, da höre ich Neele weiterreden.
»Was soll’s, Thomas is’ ja deiner und nicht meiner, also solltest du vielleicht den Tantrakurs buchen. Aber eins will ich dir heute Abend trotzdem endlich mal sagen: Euer Problem ist nicht euer sexueller Notstand. Euer Problem ist, dass ihr beiden im tiefsten Inneren einfach nicht zusammenpasst.«
18
A m Morgen nach unserer Rioja-Runde hat Neele angerufen und mir verkatert erklärt, dass sie das mit Thomas und mir alles nicht so gemeint hat. Also, jedenfalls nicht ganz so. Der Rioja eben – ich würde schon verstehen.
Wenn jemand wie Neele sich mal ausnahmsweise selbstkritisch zeigt, sollte man schon aus Prinzip nicht widersprechen. Außerdem war ich zugegebenermaßen erleichtert, dass sie sich so umstandslos von ihren doch ziemlich radikalen Thesen distanzierte.
Allerdings gehört es zu den ältesten Weisheiten der Menschheit, dass Betrunkene und kleine Kinder die Wahrheit sagen. Und dieses blöde Sprichwort kreiselt seitdem in meinem Kopf herum.
Dass meine männerfressende Freundin Neele tatsächlich dauerhaft Gefallen an Schiesser Feinripp ohne Eingriff findet, kann ich mir zwar nicht wirklich vorstellen. Doch sie hat ja nicht nur ihre Meinung zu Thomas kundgetan. Sondern auch ihre Meinung zu Thomas und mir.
»Du und Thomas, ihr passt im tiefsten Inneren einfach nicht zusammen« – typischer Neele-Klartext. Das denkt sie wahrscheinlich schon lange. Der Rioja allein hat dieses Urteil jedenfalls nicht in ihr heranreifen lassen.
Was wäre eigentlich, wenn sie recht hätte?
Nein, hat sie nicht, sie hat ’nen Knall, das ist alles, murmele ich, während ich versuche, mein Bœuf Bourguignon durch energisches Rühren vor dem Anbrennen zu bewahren.
Im Augenblick ist mir sowieso eine andere Frage viel wichtiger. Nämlich die, wo Thomas eigentlich schon wieder steckt, verdammt noch mal.
Da koche ich ein Mal nach einem Originalrezept von Paul Bocuse – und ausgerechnet an dem Abend ruft Thomas an und sagt, dass ich nicht mit dem Essen auf ihn warten soll. Es würde bei ihm später werden.
Das passiert in letzter Zeit für meinen Geschmack ein bisschen zu häufig. Nachtigall, ick hör dir trapsen, sage ich nur. Dank meiner profunden Lebens- und vor allem Filmerfahrung weiß ich schließlich, was da auf mich zukommt: Erst wird’s leider später, dann muss ich mich an ein neues Rasierwasser gewöhnen, dann macht der Kerl auf einmal Fitnesstraining, Diät und einen Wandel zum Dressman durch. Dann beichtet er mir eine Affäre.
Und dann ist er weg.
Findest du es nicht selber etwas absurd,
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