Weniger arbeiten, mehr leben
Sinne. Das gilt insbesondere für Menschen, in deren Berufsleben ausschließlich harte Zahlen und Fakten zählen. Verkaufsergebnisse und Marktanteile vertragen sich, so scheint es, nicht unbedingt mit kreativen und künstlerischen Ambitionen. Ein kerniger Vertriebsleiter, der Geige spielen lernt oder gar Bilder malt? Schwer vorstellbar ...
Wenn Sie sicher sind, dass Sie diese Neigung ausleben möchten und kein Problem mit den vielleicht argwöhnischen Kommentaren mancher Ihrer Mitmenschen haben, kann man Sie nur beglückwünschen. Genauso |218| wahrscheinlich ist aber auch der umgekehrte Fall; gerade, wenn Sie mit Ihren Portfolio-Planungen noch in den Startlöchern stehen. Es könnte sein, und es bliebe unter uns: Irgendwie trauen Sie sich nicht. Der Weg hierher war schon hart genug. Ihrem Hund könnten Sie das ja noch beibringen, aber dann kommen manchmal eben noch Ihre Ex-Kollegen zu Besuch, von denen einige inzwischen regelrecht neidisch sind. Was würden die sagen, wenn sie Sie mit einer Staffelei im Garten sehen? Genug ist genug, denken Sie sich in dem Fall vielleicht. Aber wie damit umgehen? »Durchkämpfen«, würde jetzt einer der wohlvertrauten Ratschläge lauten, »Kämpfen, reden und überzeugen«. Falsch. Das gilt eben nicht fürs Downshifting. Sie müssen nicht mehr um alles kämpfen und bei allen Aktivitäten die gleichen kämpferischen Maßstäbe anlegen wie im Job. In diesem konkreten Fall heißt das: Tun Sie es, wie Sie es für richtig halten.
Die anderen müssen nicht alles wissen. Auch das ist Teil des Downshiftings. Räumen Sie ein Zimmer oder einen Schrank frei, in dem Sie die Staffelei oder die Töpfersachen verstecken. Zumindest fürs Erste. Und wenn Sie sich dorthin zurückziehen, gehen Sie lästigen Fragen am besten dadurch aus dem Weg, dass Sie vorgeben, Fachbücher zu wälzen und sich auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorbereiten. Vielleicht möchten Sie Laienschauspieler werden und haben bereits Kontakt mit einer Theatergruppe aufgenommen. Sie wissen nur allzu gut, der Weg bis hierher war hart genug. Zunächst einmal haben Sie keinen Bedarf an neuen Herausforderungen und den üblichen Rechtfertigungen. Sollte Sie dann einer Ihrer Bekannten oder gar Ihr Ex-Chef bei der ersten Aufführung sehen und verwundert ansprechen, erklären Sie einfach: »Es hilft mir beruflich weiter! Es fördert die Entwicklung meiner verkäuferischen Fähigkeiten!« Nennen Sie es Salami-Taktik, nennen Sie es eine Ausrede: Das Wichtigste ist, dass es Ihnen dabei gut geht. Wenn Sie schließlich ganz sicher erkannt haben, wie viel Zufriedenheit Ihnen das neue Engagement verschafft, können Sie immer noch den harten Weg gehen. Dann blicken Sie jedem, der Sie schief oder belustigt ansieht, fest (sehr fest) in die Augen und sagen: »Ja, ich male Bilder. Das tat Picasso übrigens auch. Und wie ich konnte er sehr böse werden, wenn er dumm angegrinst wurde.«
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|219| Ihr wichtigstes Geschenk an Familie und Freunde
Einer der wichtigsten Schutzschilde gegen Stress, Fehlschläge und Enttäuschungen, seien sie beruflich oder privat, sind Menschen, mit denen wir teilen, anstatt mit ihnen zu konkurrieren. Es sind die Beziehungen, die wir außerhalb des Arbeitsplatzes pflegen, die uns vor solchen Belastungen schützen. Umso schlimmer ist es deshalb, wenn das Privat- vom Berufsleben in Mitleidenschaft gezogen wird. Vielen Menschen ist im Laufe ihres Berufslebens eine Regel schmerzlich bewusst geworden: Im Business gibt es keine Freundschaften. Wenn Sie persönlich vom Gegenteil überzeugt sind, Hochachtung. Es könnte allerdings sein, dass Sie schneller als Ihnen lieb ist, von einem Menschen – in moralischer wie geschäftlicher Hinsicht – enttäuscht werden, auf den Sie bisher große Stücke gehalten hatten. Der Grund dafür ist einfach: Je kritischer die Zeiten, desto stärker geht es für jeden Einzelnen ums Überleben. Wenn es hart auf hart kommt, wenn im Business die letzten Barrieren fallen, könnte es sein, dass Sie mit einem Mal mutterseelenallein sind.
Umso wichtiger, ja geradezu existenziell notwendig ist es deshalb, Beziehungen einzugehen und zu pflegen, die vom Berufsleben unabhängig sind – die nicht damit steigen und fallen, ob man einander geschäftlich von Nutzen ist oder nicht. Und wenn Sie erst einmal damit begonnen haben, Ihr Leben mit neuen Aktivitäten auszufüllen, werden sich auch neue Kontakte schnell von alleine ergeben. Dabei sollten Sie den Rat beherzigen, sich in
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