Weniger sind mehr
und der qualitative Niedergang geweissagt wird. Seriösere Diskussionsbeiträge sind in diesen Punkten weniger explizit.
Was entgeht dem Familiensystem dadurch, dass die beruflich, politisch, freizeitlich und anderweitig erfolgreichen Menschen, kurz dass ein Teil der gesellschaftlichen Elite auf Familiengründung verzichtet? Ist es tatsächlich so, dass dann »die besten Kinder« nicht geboren, die besten potenziellen Eltern nicht Eltern werden? Das wäre dann der Fall, wenn die klügsten, gebildetsten und in anderen Lebenssphären erfolgreichsten Frauen und Männer auch die besten Eltern wären und die besten Kinder hätten. Anders formuliert: wenn der Erfolg im Bildungssystem, im Beruf, in der Politik et cetera auch höchste Qualität im Familiensystem erwarten ließe. Noch einmal etwas anders ausgedrückt: Das träfe zu, wenn diejenigen, die die Leitwerte der wirtschaftlichen Effizienz, der Bildungsklugheit, politischen Machterwerbs am besten |159| verwirklichen, auch die Gewähr dafür böten, den Leitwert der Familie, nämlich das liebe- und rücksichtsvolle gegenseitige Verständnis am besten in die Tat umzusetzen.
Unser individualistisches Vorverständnis führt uns in der Tat zu dieser Annahme. Wir neigen dazu, einer Person positive Eigenschaften zuzuschreiben und sie dann für alle Lebensbereiche als gut geeignet anzusehen; oder schlechte Eigenschaften, die sie überall, in der Familie, in der Wirtschaft, der Politik, im religiösen Leben disqualifizieren würden.
Diese Annahme ist aber, gelinde gesagt, unbewiesen und widerspricht auch den Lebenserfahrungen. Ein führender Politiker ist deshalb nicht zugleich ein guter Familienvater; die Zahl seiner Scheidungen liefert dafür noch einen zusätzlichen Beleg. Für einen Wirtschaftsführer gilt das ebenso. Für einen Kirchenfürsten liegt es ohnehin auf der Hand. Selbst für Mutter Teresa, den Prototyp karitativer Mütterlichkeit, ist es fraglich, ob sie, verheiratet, eine gute Mutter gewesen wäre. Natürlich wäre es töricht anzunehmen, dass Akademikerinnen schlechtere Mütter und Ehefrauen seien als Nichtakademikerinnen. Das wissen wir einfach nicht. Was man aber sagen kann, ist, dass die nicht verheirateten und/ oder kinderlosen Frauen und Männer, sofern sie nicht biologisch unfruchtbar sind, die hohen Opportunitätskosten von Ehe und Kindern scheuen oder dass ihnen andere Lebensmöglichkeiten, -genüsse oder -pflichten wichtiger sind. Im Vergleich zur eigenen Familie liegen ihre Präferenzen bei der Bildung, der Karriere, dem Spaß, oder sie geben hochangesehenen politischen, ehrenamtlichen, religiösen und karitativen Engagements den Vorrang.
Früher hinderten Armut, Not und Verbote junge Leute daran, eine eigene Familie zu gründen. Die Hindernisse, die sich ihnen heute in den Weg stellen, wenn sie daran denken, zu heiraten und Kinder zu bekommen, sind anderer Art. Sie lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Kinder kosten mehr als je zuvor. Sie müssen ja den Ansprüchen und Standards ihrer Umgebung gemäß ernährt, gekleidet, erzogen, unterhalten und gebildet werden. |160| Vielleicht sind den zukünftigen Eltern diese Kosten gleichgültig. Vielleicht sind sie unbefangen genug, sie sich nicht auszumalen. Aber diese Unschuld können sie sich nicht bewahren. Denn da gibt es die »fürsorglichen« Demografen, Statistiker, Sozial- und Familienpolitiker, die ihnen auf Heller und Pfennig und im Brustton der Empörung vorrechnen, was es heute kostet, ein Kind großzuziehen. Die Summen liegen insgesamt zwischen 300 000 und 500 000 Euro.
Je gebildeter und informierter junge Menschen sind, desto weniger können sie sich solchen unerbetenen Informationen entziehen; desto höher sind besonders die Bildungsansprüche, die sie von sich aus an ihre Kinder stellen; desto höher die entsprechenden Investitionssummen, die sie veranschlagen; desto wahrscheinlicher, dass ein ursprünglich ganz sentimental-naiver Kinderwunsch ökonomisiert und aus Kostengründen, in denen ja durchaus Vorsicht und Verantwortung, also hochmoralische Elemente mitschwingen, zurückgestellt wird. Mehr Information und Wissen führt so dazu, dass man weniger oder gar keine Kinder bekommt. Und diejenigen, die als Familien- und Bevölkerungspolitiker über die Kosten und Leistungen von Familien informieren und dadurch zur Geburtensteigerung beitragen wollen, erreichen das Gegenteil.
Die simplen monetären Kostenrechnungen des Kinderkriegens führen geradewegs zu einem anderen
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