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Weniger sind mehr

Titel: Weniger sind mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Otto Hondrich
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Kinderverhinderungsargument und verstärken dieses noch: die Opportunitätskosten. Gemeint sind die Gelegenheiten, auf die man verzichtet, wenn man sich Kinder leistet: eine Forschungsarbeit, die einen Tag und Nacht fesselt und in Anspruch nimmt; der Ruhm und die Aufstiegschancen, die daraus folgen können; eine Vollzeitberufstätigkeit, die nicht nur auf der Karriereleiter nach oben, sondern auch im Alltag auf Dienstreisen, zu Tagungen im Schlosshotel, zum abendlichen Umtrunk mit interessanten Kollegen, zu Fortbildungsseminaren führt; ein Engagement in der Politik; ein Fitness- und Wellness-Programm, dass rundum in Form hält; von den |161| berühmten Weltreisen, Kurz- und Langurlauben, spontan wahrgenommenen Highlights des kulturellen und gesellschaftlichen Leben ganz zu schweigen. All das steht kaum zur Debatte, wenn es ohnehin außerhalb der eigenen Möglichkeiten liegt. Von denen aber, denen kraft Bildung und Einkommen viele Möglichkeiten offen stehen, wird es als vermeidbarer Verzicht wahrgenommen und führt dazu, dass eine Familiengründung vermieden wird. Zumindest führt es zu einem Aufschub, der sich unversehens und ungewollt zur Verunmöglichung des Kinderkriegens auswachsen kann.
    Die Bandbreite der Opportunitätskosten ist damit bei weitem nicht ausgeschöpft. Junge Leute haben heute, je höher ihre Bildung und je größer ihre Beweglichkeit ist, umso mehr Optionen, potenziellen Partnern zu begegnen. Allein das Kennenlernen selbst ebenso wie das »Offenlassen und Weitersuchen«, das eine hintergründige und erhebende Hoffnung enthält, stellen Chancen und Gelegenheiten dar, auf die man ungern einfach verzichtet. Sie können deshalb den Opportunitätskosten zugeschlagen werden, die eine feste Partnerbindung für lange Zeit oder gar dauerhaft vereiteln.
    Und schließlich sind es die steigenden Ansprüche an die Individualität des Partners ebenso wie an das Zusammenpassen oder Miteinander-Harmonieren, an seine Vortrefflichkeit ebenso wie an sein liebevolles Sich-Hingeben oder Nachgeben, die sich der Familienbildung in den Weg stellen. »Der Richtige« oder »die Richtige« muss gefunden werden. Das ist die Aufgabe. Keine Eltern reden da herein, keine Gruppenzwänge, erst recht keine Vorgesetzten, Fürsten oder Kirchenfürsten. Je freier wir aber sind, den Richtigen oder die Richtige zu bestimmen, desto schwieriger wird die Aufgabe. Denn in der Logik der Steigerungen, auch der Steigerungen der Liebe, liegt immer die Möglichkeit eines noch Richtigeren oder noch Besseren. So verwundert es nicht, dass in einer jüngeren Umfrage zu Gründen der Kinderlosigkeit 44 Prozent der Befragten angaben, sie hätten keinen geeigneten Partner. 24
    |162| Allein in dieser Antwortvorgabe verstecken sich eine Reihe von fragwürdigen Suggestionen: Es könne den oder die Richtige geben; ob jemand der/die Richtige oder Falsche sei, läge an ihm/ihr und nicht an mir; es handele sich um eine Frage nach individuellen Eigenschaften und nicht nach gegenseitiger und gemeinsamer Einstimmung.
    Nimmt man diese drei Faktorenbündel zusammen, die sich wie Barrieren vor jungen Leuten – und besonders vor den gebildeten und erfolgsträchtigen unter ihnen – auftürmen, wenn es darum geht, eine eigene Familie zu gründen, dann ließe sich mit Fug und Recht schlussfolgern: Familienneugründungen kann es eigentlich gar nicht mehr geben. Die Widerstände sind zu groß. Es grenzt ans Wunderbare, dass Menschen trotzdem noch heiraten und Kinder bekommen. Was ist es, das ihnen über die Hindernisse hinweghilft?
    Sehen wir (zunächst) einmal von denjenigen ab, die, am unteren Ende der sozialen Statusskala, als Bedürftige kalkulieren. Für sie mögen Kindergeld und kinderbezogene Sozialleistungen die Kosten sogar aufwiegen: Denn Eltern, die in ihre Kinder so wenig wie möglich investieren – grob gesprochen: die sie vernachlässigen –, können bei reichlichen staatlichen Subventionen für ihre Familie beziehungsweise für sich selbst sogar noch einen finanziellen Gewinn daraus erzielen.
    Betrachten wir dagegen die Eltern, die ungeachtet staatlicher Subventionen Kinder bekommen – und dies dürfte die große Mehrheit sein –, dann lässt sich zweierlei vermuten: Entweder sie sind finanziell so gutgestellt und erfolgreich, dass sie nach den finanziellen Kosten von Kindern nicht zu fragen brauchen; und/oder die Liebe zueinander und zu den Kindern, die sie gemeinsam haben möchten, ist ihnen wichtiger als die Kosten und Entbehrungen, die damit

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