Wenn alle anderen schlafen
jede Menge Erfahrung mit Nachtaufnahmen. Und spontane Action, wie wir
sie uns erhoffen, ist meine Spezialität.«
Der Wind raschelte in den
Zweigen über uns; von der Straße her hörte ich leises Reden und Lachen — späte
Gäste, die Julius’ Castle verließen. Wagentüren knallten, Motoren sprangen an.
Draußen, jenseits des Gate, klagte ein Nebelhorn. Fast Mitternacht — Mein Handy
piepte. Ich klappte es auf, und Micks Stimme sagte leise: »Neal kommt jetzt
raus.«
»Hast du Larsen schon
gesichtet?«
»Nein.« Fünfzehn, zwanzig
Sekunden vergingen. »Da ist er. Muß an der Befestigungsmauer rumgelungert
haben.«
»Danke.« Ich beendete das
Gespräch. Zu Glenna sagte ich: »Sie kommen.«
Sie nickte, mit ihrer
Videoausrüstung beschäftigt.
Nach einer weiteren Minute
piepte mein Handy erneut. Keim war dran: »Neal hat mich gerade passiert. Und
Larsen kommt jetzt aus der Alley.«
»Warte auf Mick, und folge ihm
dann.« Ich klappte das Handy zu, steckte es in meine Umhängetasche und nahm
eine kleine Taschenlampe heraus. »Los«, flüsterte ich Glenna zu, während ich
zur Veranda des Hauses jenseits der Treppe hinüberblinkte, wo Rae mit Erlaubnis
der Bewohner lauerte. Glenna begann zu filmen. Gummisohlen schlappten über den
Beton, und eine untersetzte Gestalt in Jeans und Daunenjacke tauchte auf. Neal.
Er blieb stehen und spähte ins Schattendunkel, als wollte er sich vergewissern,
daß wir wirklich da waren. Ich hüstelte leise. Seine Haltung entspannte sich
etwas, und er trat ans Geländer und blieb dort stehen, als betrachtete er die
nebelverschleierten Lichter unter sich.
Erneut Schritte, leise, aber
ohne Hast. Mein Körper spannte sich an, während Glenna die Kamera zur Treppe
schwenkte.
Bud Larsen bog um die Ecke. Er
blieb kurz auf dem Treppenabsatz stehen. Dann nahm er das nächste Treppenstück,
wie ein Raubtier: langsam, berechnend, geschmeidig. Nur einen Meter hinter Neal
blieb er stehen.
Neal drehte den Kopf und sagte
mit unsteter Stimme: »Bud. Sie haben mich erschreckt.«
»Schiß, was?« Larsen schob sich
näher an ihn heran.
»Das nicht. Ich bin nicht
besonders ängstlich.«
»Ach, das seid ihr Schwuchteln
doch alle.«
»Was haben Sie da gesagt?«
Larsen schwieg. Neben mir
justierte Glenna ihre Kameraeinstellung.
Neal drehte sich zu Larsen um,
das Geländer im Rücken. »Schwuchtel — war’s das?«
Larsen zuckte die Achseln.
»Sie sind es, der hinter all
dem steckt.«
»Hinter was?«
»Den Briefen, den Anrufen. Dem
Valentinstagsherz, dem Salat. Der Todesdrohung am Telefon.«
Larsen leckte sich die Lippen,
sah sich um. Einen Moment lang fürchtete ich, er würde einfach mauern, aber so
ein Typ kann der Versuchung zu prahlen nicht widerstehen.
»Okay — ich war’s. Und du
hättest mir am Telefon zuhören sollen, Bürschchen. Dieses Weibsstück, für das
dein Boyfriend arbeitet, rennt hier rum und stellt Fragen. Sagt, sie ist mit
dir befreundet. Weißt du, was ein richtiger Mann machen würde, wenn er so eine
Freundin hätte wie dieses scharfe kleine —«
»Halten Sie den Mund!« Neals
Stimme war voller beherrschter Wut.
Ich konnte jetzt jederzeit
hingehen und die Konfrontation beenden; wir hatten, was wir wollten — Larsens
Geständnis auf Video. Aber ich war neugierig, wie diese Szene weitergehen
würde. Larsen lachte. »Oh, die Schwuchtel wird aufmüpfig!« Sarkastisch, aber
auch ein bißchen überrascht.
»Was ich wissen will, Bud: Wie
hat das alles angefangen? Und wie soll es enden?«
»Das hab ich dir doch schon am
Telefon gesagt — jemand muß dran glauben. Und rate mal, wer?«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst.
Also, was war der Auslöser?«
»Müßtest du doch selbst
wissen.«
»Weiß ich aber nicht.«
»Schon vergessen, damals im
Fahrstuhl, vor einem Monat? Wie du mich angemacht hast?«
»Wie ich was?«
»An dem Tag hatte ich den
Wasserhahn in deiner Küche repariert. Du wolltest aus dem Haus, und wir sind
zusammen mit dem Lift runtergefahren.«
»Ja, daran erinnere ich mich,
aber —«
»Du mußt doch noch wissen, was
du gemacht hast.«
»Ehrlich nicht.«
»O Mann, du machst wohl dauernd
Kerle an! Dein Pech, daß du da an den Falschen geraten bist.«
»Bud, ich frage —«
»Ja, du fragst und fragst — wie
diese verdammte McCone. Okay, wenn du drauf bestehst, daß ich’s dir sage, dann
sag ich’s dir. Du hast mich auf den Arm geboxt und Kumpel genannt.«
»Ist das alles?«
»Reicht’s nicht?«
»Bud, das mache ich mit allen
Leuten —
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