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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Abend darauf war sie
bei der Fundraising-Party in meine Identität geschlüpft.
    Gezielte Versuche, mir zu
schaden? Oder wahnhafte Versuche, mein Leben zu leben, nachdem ihr die
Möglichkeit verwehrt worden war, daran teilzuhaben?
    Egal. Ich hatte sie
identifiziert.
    Die Jägerin wurde jetzt zur
Gejagten. Ich hatte das Geschehen wieder in der Hand.
     
     
     

Donnerstag
     
    Am Donnerstag vormittag war ich
zwei, drei Stunden damit beschäftigt, mit einem moralischen Dilemma zu ringen.
Schließlich siegte die persönliche Genugtuung über den Buchstaben des Gesetzes.
    Rein rechtlich war ich
verpflichtet, die Polizei von meinem Verdacht in Kenntnis zu setzen; alles andere
war Behinderung laufender Ermittlungen — ein Verstoß, der mich meine Lizenz
kosten konnte. Doch ich bezweifelte, daß da wirklich soviel an Ermittlungen
lief, und außerdem gab es kaum echte Beweise gegen D’Silva, nur mein Wort und
das von Glenna Stanleigh und Clive Benjamin. Glenna hatte sie bei keiner
strafbaren Handlung beobachtet, und Benjamin konnte nicht beweisen, daß sie es
war, die seinen Schlüssel stibitzt hatte. Und was Maxwell Carltons wertvolle
Münzen betraf, gab es auch nicht mehr als Indizien gegen D’Silva.
Indizienbeweise sind aber nur so gut wie der Staatsanwalt, der sie führt, und
eine Angeklagte mit D’Silvas schauspielerischen Fähigkeiten konnte die
Geschworenen leicht auf ihre Seite ziehen.
    So lautete meine Argumentation,
aber tief drinnen war mir klar, daß ich die Fakten manipulierte, um mein
Vorhaben zu rechtfertigen. Ich, nicht die Polizei oder Justiz, würde Lee
D’Silva zur Strecke bringen.
     
    »Wie bitte? Erst klaust du mir
eine meiner besten Technikerinnen, und jetzt bist du nicht zufrieden mit ihr?«
sagte Mitch Carver. »Sorry, Rücknahme ausgeschlossen.«
    Ich kannte Mitch, Lee D’Silvas
Exarbeitgeber, noch aus den Zeiten, da wir gemeinsam mitten in der Nacht für
niedrige Stundenlöhne und ohne Sozialleistungen Geschäftsgebäude bewacht hatten.
Inzwischen hatten wir es beide zu etwas gebracht, aber so gründlich verändert
hatte sich keiner von uns. An diesem Morgen lümmelte er in seinem Drehstuhl,
die Füße auf dem Schreibtisch; sein sandfarbenes Haar war strubbelig, die
Krawatte saß schief, und das Sportsakko sah aus, als könnte es eine Reinigung
vertragen.
    »Ich habe sie nicht geklaut.«
    »Wie nennst du —«
    »Ich habe sie zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen, aber den Job habe ich ihr nicht gegeben.«
    »Ach?« Er nahm die Füße
herunter, richtete sich auf und ruckelte den Stuhl näher an den Schreibtisch
heran. »Sie hat vor allen damit angegeben, daß sie bald für dich arbeiten
würde, und dann ist sie eines’ Tages einfach nicht mehr aufgetaucht. Ich fand
es schon schäbig von ihr, nicht zwei Wochen vorher zu kündigen, aber das ist
nun mal in der Branche mehr oder weniger üblich.«
    »Wann war das?«
    »Daß sie nicht mehr aufgetaucht
ist? Ich frage mal nach.« Er wählte eine interne Nummer, sprach kurz ins
Telefon. »Morgen vor drei Wochen.«
    Ungefähr um die Zeit, als sie
meine Absage erhalten haben mußte.
    Mitch fragte: »Also, was ist
Sache? Hast du dir das mit dem Job anders überlegt?«
    »Vielleicht.«
    »Na ja, dann viel Glück bei der
Suche. Ihre Vorgesetzte hat ein paarmal bei ihr zu Hause angerufen, aber nie
jemanden erreicht. Und D’Silva hat sich nicht mal mehr die Mühe gemacht, ihren
letzten Gehaltsscheck abzuholen.«
    »Hat sie irgendwelche
persönlichen Dinge dagelassen — in ihrem Schreibtisch vielleicht?«
    »Wir werden mal nachsehen. Und
falls du sie findest, sag ihr, sie soll den verdammten Scheck abholen, damit
wir die Akte schließen können.«
     
    Alles, was D’Silva in ihrem
Schreibtisch hinterlassen hatte, war in einen Karton gepackt und in einem
Abstellraum deponiert worden. Nachdem ihre Vorgesetzte den Karton gefunden
hatte, führte sie mich in ein leeres Büro, wo ich die Sachen ungestört
durchsehen konnte.
    Lippenpomade, Nagelfeile und —
schere, persönlicher Kaffeebecher, Tampons, ein Paar Joggingschuhe,
Strumpfhosen, noch originalverpackt. Zwei Taschenbuch-Krimis mit
Privatdetektivinnen als Heldinnen, beide ziemlich zerlesen; in einem steckte
die Fotokopie eines Interviews, das ich letztes Frühjahr einer hiesigen
Zeitschrift gegeben hatte. Ich faltete das Blatt auf und sah, daß bestimmte
Stellen unterstrichen waren.
     
    F : Wenn ich recht informiert
bin, haben Sie den Pilotenschein . Nutzen Sie ihn auch beruflich?
    A: Ich fliege

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