Wenn alle anderen schlafen
hatte. Ich hatte von
Anfang an das Gefühl gehabt, da etwas übersehen zu haben. Was?
Wir waren hier im Büro. Er saß
mir am Schreibtisch gegenüber. Ich bat ihn, sie zu beschreiben.
»Sie war vielleicht zehn Jahre
jünger als Sie, sah Ihnen aber sonst ziemlich ähnlich.«
»Indianisches Blut vielleicht?«
»Nein.«
»Wie sah ihr Gesicht aus?«
»Na ja, hübsch irgendwie.«
»Sieht sie irgend jemandem
ähnlich? Einer prominenten Person oder einem Filmstar?«
»Vielleicht Susan Dey, Sie
wissen doch, der Schauspielerin aus L. A. Law?«
Das war’s!
»Shar, bist du noch ganz bei
Trost? Neal ist gerade eingeschlafen, und jetzt soll er —«
»Du bist doch wach, oder?«
»Schon, ja, aber —«
»Nimm seine Schlüssel und komm
zum Anachronismus.
»...Okay, gib mir zwanzig
Minuten. Das ist das mindeste, was ich für dich tun kann, nach allem, was du
für uns getan hast.«
Im Buchladen war es
stockfinster, aber ich wartete nicht, bis Ted Licht gemacht hatte. Ich eilte
einfach den Mittelgang entlang, zu dem Kabuff, wo Neal Film-Memorabilia
lagerte. Die Neonröhren gingen flackernd an, als ich bereits die Mappen mit
Starfotos durchzublättern begann.
Bitte sei da.
Darnell... Darren... de
Havilland... De Niro... Dey —
»O mein Gott...«
Wieder im Büro, klappte ich die
Akte der Jobbewerberin auf und las sie langsam durch, um mein Gedächtnis
aufzufrischen.
Am 30. Januar hatte sie mir
hier gegenübergesessen, lächelnd, bemüht zu gefallen, die richtigen Antworten
zu geben. Ihre Referenzen — von Carver Security, einer
High-Tech-Sicherheitsfirma hier in der Stadt — waren makellos gewesen. Lee
D’Silva sei technisch äußerst beschlagen, versiert im Umgang mit den neuesten
Sicherheitssystemen, zudem eine Könnerin am Computer, kurz, eine in jeder
Hinsicht tüchtige Kraft.
Das Bewerbungsgespräch war gut
gelaufen, so gut sogar, daß ich, als mir die Fragen ausgingen, noch mindestens
eine Viertelstunde mit ihr geplaudert hatte, vor allem übers Fliegen, da sie
gerade Flugstunden nahm. Danach mußte D’Silva fest damit gerechnet haben, den
Job zu kriegen. Und von Rechts wegen hätte sie ihn auch kriegen müssen. Sie war
genau die Person, die das Ermittlungsbüro McCone brauchte, um mit der
wachsenden Zahl von Fällen zurechtzukommen, in denen Sicherheitssysteme einfach
ausgehebelt wurden. Doch dann hatte Craig Morland angerufen, um mein immer noch
bestehendes Angebot anzunehmen, und ich hatte befunden, daß wir seine Kontakte
zu den Bundespolizeiorganen nötiger brauchten als D’Silvas technische
Kompetenz. Ich hatte ihr eine Absage geschickt, ihr darin aber gleichzeitig
erklärt, daß ich bei einer künftigen Stellenbesetzung an sie denken würde. Und
damit hatte der ganze Ärger begonnen.
Komisch, daß Micks
Background-Check zu ihrer Person keinerlei Hinweis auf psychische Labilität
ergeben hatte.
Ich ging die Akte noch mal
durch. D’Silva war einunddreißig und Single. Sie war in der Kleinstadt Paradise
in den Vorbergen der Sierras, nordöstlich von Oroville, geboren und zur Schule gegangen
und hatte dann Polizeiwissenschaften am nahen Butte College studiert. Eine
zweijährige Unterbrechung ihres beruflichen Werdegangs nach dem Collegeabschluß
erklärte sie damit, daß sie ihre Mutter bis zu deren Tod gepflegt habe. Danach
war sie nach San Francisco gezogen und hatte hier für drei Sicherheitsfirmen
gearbeitet, zuletzt für Carver, wo sie wohl immer noch war.
Ich hätte mir das schon früher
zusammenreimen können. Schließlich konnte nur jemand mit einschlägigem
technischem Wissen die Wanzen in meinem Haus angebracht, mein Handy geklont und
die Alarmanlage von Vintage Lofts überlistet haben. Wieso war ich nicht auf sie
gekommen?
Ich stand auf, machte die
Lichter aus und setzte mich hin. Draußen brach jetzt ein grauer Morgen an, und
es regnete wieder. Der Verkehrslärm auf der Brücke hatte sich verstärkt, und am
Golden Gate war sicher genausoviel los; die ersten Pendlerfähren tuckerten von
Marin County herüber. Ich sah Boote vorbeigleiten, dunkel und geheimnisvoll,
nur durch die Positionslampen markiert. Und ich begann zu rekonstruieren, was
abgelaufen war.
3. Februar: Craigs Anruf. Ich
hatte sofort die Absagebriefe auf Band diktiert, und Ted hatte sie mir noch am
Nachmittag zur Unterschrift vorgelegt.
D’Silva mußte die Absage
spätestens am Mittwoch, den 5. Februar, bekommen haben. Am Freitag hatte sie
sich Clive Benjamin gegenüber für mich ausgegeben. Und am
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