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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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»Weiter.«
    »Okay, sein Ding sind
Immobilien. Gewerbeparks, Einkaufszentren, Apartmentkomplexe und ein
Riesenstück Land mitten in der Wüste von Nevada, das nie was wert sein wird.
Fakt ist: Der Knabe ist so reich, daß ihm das Geld garantiert nie ausgeht, aber
er hat tierisches Pech.«
    »Inwiefern?«
    »Nur ein Beispiel, den Rest
kannst du nachlesen: Er hat da diesen Gewerbepark in Milpitas. Vor etwa einem
Jahr hat einer seiner Mieter, ein nigerianischer Taxiunternehmer, dem
arabischen Sanitärbedarfshändler und dem kubanischen Paketzustelldienst den
Krieg erklärt. Anscheinend haben die ihren Müll in den Container der Nigerianer
geschmissen. Beleidigungen schwirrten hin und her, Müll wurde vor Türen
gekippt, und das Ganze endete mit einer Schießerei auf dem Parkplatz. Die
Nigerianer gewannen, wurden aber hopsgenommen, und der Knabe war auf einen
Schlag drei Mieter los.«
    »Eine internationale
Verschwörung.«
    »Du sagst es. Na, jedenfalls,
von da an ging’s bergab. Der Knabe war eine Zeitlang in der Klapsmühle — einer
netten Privatklinik für untragbar Übergeschnappte. Dort landete er, weil er
seine Exfrau im siebzehnten Stock des Beverly Wilshire aus dem Fenster gehalten
und ihr gedroht hatte, sie loszulassen, wenn sie ihm nicht das Sorgerecht für
die Kinder übertragen würde. Ein Krisenteam der Polizei von Los Angeles konnte
diesen Verhandlungspraktiken ein Ende machen. Und es gibt Anzeichen dafür, daß
der Wahnsinn in der gesamten Familie grassiert.«
    »Arme Bea Allen.«
    »Richtig. Wenn du meine Meinung
hören willst: Die Klientin sollte entweder heiraten und die Messer gut unter
Verschluß halten oder aber schleunigst das Weite suchen. Auf jeden Fall aber
sollte sie die Parkplätze seiner Gewerbeparks meiden.«
     
    Um halb fünf saß ich im Sessel
am Bogenfenster auf der Wasserseite des Piergebäudes und sah zu, wie sich das
Bay-Panorama zunehmend verdüsterte, während es in feinen Schnüren regnete.
Plötzlich trommelte ein heftigerer Guß aufs Dach, und ich musterte die Decke
auf undichte Stellen. Keine zu sehen, bis jetzt.
    Es klopfte. Ich drehte mich um
und sah Neal Osborn in der Tür stehen. Neal war Teds Lebensgefährte: ein
tweedbejackter, zerknitterter, bärtiger, bebrillter
Secondhand-Buchladenbesitzer mit schütterem rotblondem Haar, das oft
stachelartig abstand, weil er immer mit den Fingern hindurchfuhr, während er in
den Bücherbergen in seinem Laden in der Polk Street herumstöberte. Neal hatte
mir einmal gestanden, auf einem staubigen Speicher oder in einer Garage auf der
Suche nach einer seltenen Erstausgabe herumzukrauchen sei für ihn so ziemlich
das Schönste auf der Welt. Ted, ebenfalls ein Büchernarr, begleitete ihn oft
auf diesen Streifzügen. »Hallo«, sagte ich. »Falls du Ted suchst, der ist schon
früher gegangen, weil er einen Zahnarzttermin hatte.«
    Neal trat näher. »Ich weiß.
Eigentlich will ich zu dir.«
    »Oh? Tja, dann hol dir einen
Stuhl her.«
    Er trug einen herüber und
setzte sich.
    »Was gibt’s?« fragte ich.
    »Ich muß mit dir über Ted
reden. Ist dir aufgefallen, daß er sich seit ein paar Wochen komisch benimmt?«
    »Ja, und es wird immer
schlimmer. Gestern hat er sich in einen Zustand absoluter
Entscheidungsunfähigkeit in Sachen Kopiererkauf reingesteigert. Er hat drauf
bestanden, daß ich ihm helfe, obwohl ich noch nicht mal den Toner beim alten
Kopierer erneuern kann. Und er hat immer wieder von vorn angefangen, sämtliche
Vor- und Nachteile abzuwägen. Kaum hatten wir endlich einen Beschluß gefaßt,
fing er wieder an: ›Aber vielleicht sollten wir doch bedenken...‹ Das ist so
gar nicht seine Art.«
    »Was noch?«
    »Na ja, er ist so zerstreut und
kurz angebunden. Am Montag hat Rae ihm gesagt, er sei zickig, und er hat sie
angefahren: ›Sag doch gleich, ich bin eine zickige Tunte!‹ Keiner von uns
konnte sich das erklären; nie war die Sexualität von irgend jemandem hier in
irgendeiner Weise Thema.«
    »Hast du irgendeine Vermutung,
warum er sich so benimmt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
»Einmal, vor drei, vier Wochen etwa, ist er hier reingekommen, um mir ein paar
Briefe zur Unterschrift vorzulegen, und ich habe gespürt, daß er über irgendwas
mit mir reden wollte, aber nicht wußte, wie anfangen. Ich fürchte, ich habe ihn
auch nicht gerade ermutigt. Ich war mitten in einem komplizierten Bericht, den
der Klient in einer Stunde abholen wollte, und ich habe ihn abgewimmelt und mir
gesagt, ich rede später mit ihm. Aber dann

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