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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ziemlich das einzige, was an
diesem Morgen mitspielte, war das Wetter. Es war kälter geworden und wunderbar
klar.
    Ich überflog gerade die
Cartoonseite, als das Telefon klingelte: Hys Freund von der Luftfahrtbehörde.
Er gab mir den Namen des Prüfers durch, der Lee D’Silvas Privatpilotenschein
unterschrieben hatte — ein Cop aus Novato namens Joe Bartlett. Ich erreichte
Bartlett zu Hause und erklärte ihm, ich erwöge, D’Silva einzustellen und ihr
den Berufspilotenschein zu finanzieren, damit sie für die Detektei fliegen
könne. Wie er ihre fliegerischen Fähigkeiten einschätze?
    »Gut. Vor allem in
Streßsituationen. Wir sind in einer Cessna 150 zum Prüfungsflug gestartet
und... Fliegen Sie auch?«
    »Ich habe auf einer 150
gelernt.«
    »Na ja, dann wissen Sie ja, daß
da manchmal in der Luft die Türen aufspringen, wenn man sie nicht bei offenen
Fenstern geschlossen hat, oder?«
    »Allerdings.« Das hätte mir
beim ersten Mal einen Mordsschrecken eingejagt.
    »Tja, das passierte beim Start
mit D’Silvas Tür, aber sie hat sich nicht irritieren lassen. Hat Klappen
gegeben, das Fenster aufgemacht, versucht, die Tür zuzuschlagen. Ging nicht. Da
sagt sie zu mir, ganz cool, wie ein abgebrühter Pilot zu einem ängstlichen
Passagier: ›Ich habe ein kleines Problem mit der Tür hier, deshalb werde ich
eine Platzrunde drehen und wieder landen. Ich werde die Tür ordnungsgemäß
schließen, und dann starten wir wieder.«
    »Ganz schön beindruckend, bei
einem Prüfungsflug, wo man sowieso schon nervös ist.« Was hatte Stacey
Nizibian, die Polizeiexpertin für Verfolgerpersönlichkeiten, noch mal gesagt?
Daß solche Leute in Situationen, in denen jeder andere durchdrehen würde,
vollkommen cool bleiben. »Nur aus Neugier, wer war ihr Fluglehrer, und wo hat
sie gelernt?«
    »Bei einer Frau, Sarah Grimly
—«
    »Die kenne ich. Sie arbeitet in
Petaluma.«
    »Nicht mehr. Sie hat geheiratet
und wohnt jetzt in Los Alegres.« Los Alegres, wo auch ich bei einer
Fluglehrerin gelernt hatte. D’Silva hatte meinen fliegerischen Werdegang
kopiert.
     
    Nach dem Gespräch mit Bartlett
holte ich eine zerknitterte und zerrissene Sektionskarte heraus — meine
Fluglehrerin hatte oft gewitzelt, die Dinger hießen Sektionskarten, weil sie
immer in einzelne Sektionen zerfielen — und suchte Paradise, wo D’Silva
aufgewachsen war. Los Alegres lag fast am Weg dorthin, also rief ich im
Betriebsbüro — das für Flugschule, Flugzeugverkauf, — Vermietung und —
reparaturen zuständig ist — an und fragte, ob Sarah Grimly heute unterrichte.
Ja, sie sei gerade mit dem ersten Schüler oben und etwa um zehn zurück. Ich bat,
ihr auszurichten, daß ich sie gern im Seven Niner Diner, dem
Flugplatzrestaurant, treffen würde. Dann machte ich mich rasch fertig. Auf dem
Weg nach Oakland versuchte ich mir keine Sorgen um Hy zu machen, allerdings mit
so wenig Erfolg, daß ich auf der Bay Bridge fast auf einen Pickup auffuhr.
    Während der Flugvorbereitung
der Citabria ging mir auf, daß mir der Traum letzte Nacht vor Augen geführt
hatte, wie radikal meine Verbindung zu Hy abgerissen war. Ich vermißte ihn mehr
denn je, spürte, wie ich immer tiefer in die Depression rutschte und mich am
Rand der Panik befand. Doch sobald ich den C-Luftraum verlassen hatte,
verflogen die trüben Gefühle. Hier, in diesem Cockpit, wo ich so viele Stunden
mit Hy verbracht hatte, konnte ich gar nicht anders, als einen gewissen
Optimismus zu entwickeln. Irgend etwas an dem Vorgang, sich physisch über die
Erde und all ihre Probleme zu erheben, erzeugt Hoffnung.
    Und Hoffnung war im Moment das
einzige, woran ich mich halten konnte.
     
    Sarah Grimley war Mitte
Zwanzig, dunkelhaarig und zierlich. Sie kam mir sogar noch kleiner vor als bei
unserer ersten Begegnung, wahrscheinlich im Kontrast zu der 750-kg-Cessna, die
sie und ihr Flugschüler gerade zwischen die Halteblöcke schoben — wobei er mit
der Schleppstange lenkte, sie aber die meiste Arbeit leistete. Ich ging zu
ihnen hin, während er die Halteketten befestigte und sie ihr Sitzpolster —
trotz der wachsenden Zahl von Pilotinnen werden Flugzeuge noch immer für
großgewachsene Männer gebaut — und Kopfhörerbox und Handtasche aus der Maschine
nahm. Sie drehte sich um und sah mich.
    »Bob Cuda hat Ihre Botschaft
über Platzfunk durchgegeben«, rief sie mir zu. »Freut mich, Sie wiederzusehen.«
    »Gleichfalls.« Ich warf einen
Blick zu den Zapfsäulen hinüber, wo eine vertraute grauhaarige Gestalt

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