Wenn auch nur fuer einen Tag
direkt ein schlechtes Gewissen, wenn ich dir sage, ich muss zur Uni oder zur Arbeit. Als müsste ich mich dafür entschuldigen, dass ich so ein spießiges Leben führe und nicht immer so relaxt in den Tag starte wie du.«
»Musst du doch gar nicht.« Lukas richtet sich auf. Jetzt lacht er nicht mehr. »Ich find’s super, was du alles auf die Reihe kriegst, echt. Aber jeder muss doch für sich wissen, was zu ihm passt, oder? Ich werde schon noch herausfinden, was ich studieren will, und falls nicht – es muss schließlich nicht jeder an die Uni gehen, oder? Es gibt auch so genügend gute Jobs. Und wo wir gerade bei Jobs sind …« Er bricht ab, obwohl ihm offenbar noch irgendetwas auf den Lippen brennt. »Ach, vergiss es!« Er macht eine wegwerfende Geste, die zeigt, dass er echt angepisst ist.
Ich starre ihn erschrocken an. So hat Lukas noch nie mit mir gesprochen. Haben wir etwa gerade … unseren ersten Streit?
Ich merke, wie mein Gewissen wieder in mir pocht. Immerhin weiß ich ja, warum ich so gereizt bin. Lukas hat nichts falsch gemacht. Indem ich ihn so anblaffe, versuche ich doch nur, vom eigentlichen Thema abzulenken. Mir wird kalt, obwohl die Sonne warm auf uns herunterscheint. Ich muss es hinter mich bringen. Jetzt sofort.
»Hör zu«, setze ich mit trockenem Mund an. »Da ist etwas, das ich dir unbedingt –«
»Na sieh mal einer an! Was für ein hübsches Pärchen!«
Lukas und ich blicken auf. Vor uns stehen Tamara, Noah, Lars und Amelie sowie noch ein paar andere aus ihrer Clique. Sie alle tragen schicke Sportklamotten, unter Lars’ Arm klemmt ein Volleyball.
Lukas nimmt reflexartig meine Hand und drückt sie, als wolle er mir oder sich selbst Mut machen.
»Ach so ist das, dann sind die Gerüchte also wahr. Und ich dachte, Amelie erzählt Müll.« Tamaras Blick ist eiskalt, genau wie ihr falsches Lächeln. »Da hast du dir also dein nächstes Opfer gesucht. Niedlich, Noahs kleine Schlampe. Na ja, bei dir ist die Langweilerin definitiv besser aufgehoben als bei ihm, so viel steht fest.«
Ich halte Lukas davon ab aufzuspringen.
»Die sind es nicht wert«, murmle ich, dann blicke ich Tamara fest in die Augen. »Ich weiß Bescheid«, sage ich laut und deutlich. »Über alles, was bei euch abgeht. Über eure Intrigen, eure albernen Wetten und darüber, wie ihr euch gegenseitig bei euren miesen Spielchen und Lügen deckt. Und egal was du oder jemand anderer behauptet, ich glaube Lukas. Also spar dir deine dummen Sprüche, sie sind absolut überflüssig.« Innerlich zittere ich, aber wenigstens stimmt Carlas Theorie dieses Mal: Es tut mehr als gut, Tamara die Meinung zu sagen.
Sie verzieht spöttisch den Mund. »Süß, wie du deinen Helden hier verteidigst. Anscheinend kann er noch nicht einmal mehr für sich selbst sprechen. Los, kommt endlich.« Sie dreht sich abrupt um und marschiert, gefolgt von ihrem albernen Fankreis, ab. Noah bleibt als Einziger noch stehen. Seine Lippen sind schmal und in seinen zusammengekniffenen Augen liegt tiefe Abneigung, als er Lukas fixiert.
»Echt nett von dir, Richter, dass du dich einfach so bedient hast, nach allem, was ich dir anvertraut habe«, zischt er. »Aber eins sage ich dir, du mieses Schwein: Ich weiß genau, dass du die Sache mit Jana bloß abziehst, um mir eins auszuwischen. Du willst dich rächen, weil –«
»Halt dein blödes Maul!« Lukas reißt sich von mir los und baut sich wutschnaubend vor Noah auf. »Du hast ja keine Ahnung, was zwischen Jana und mir ist. Ich liebe sie, kriegst du das in deinen versoffenen Schädel? Hier geht es nicht um dich, du selbstverliebtes Arschloch! Ich liebe sie, ob es dir passt oder nicht.« Lukas hat die Fäuste geballt und sein Körper bebt, so aufgebracht ist er.
Bestürzt rapple ich mich hoch und streichle Lukas besänftigend über den Rücken. Dabei spüre ich, dass alle seine Muskeln angespannt sind.
»Lukas, lass ihn. Er will dich doch nur provozieren.«
Noahs Blick wandert zu mir. »Pass lieber auf dich auf, Jana«, sagt er. »Trau ihm nicht. Ich meine es nur gut mit dir. Ich habe es immer nur gut gemeint. Und dieser Typ hier ist nichts weiter als ein elender Lügner.« Damit dreht er sich um und läuft den anderen hinterher.
Lukas steht immer noch reglos da, die Fäuste geballt, heftig atmend. Ich trete vor ihn, sodass ich ihm gegenüberstehe. Sein Kopf ist leicht gesenkt, seine Lippen sind fest aufeinandergepresst. In seinen Augen schimmern … Tränen.
Ich schlucke. Ich empfinde in diesem Moment
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