Wenn auch nur fuer einen Tag
Situationen bringen. Wie man sich das freiwillig antun kann, ist mir ein Rätsel.
»Verliebt, verlobt, verheiratet, verliebt, verlobt, verheiratet …«
Anscheinend ist Jana das Gekreische der beiden aber peinlicher als mir, denn ihre Wangen sind ganz rot angelaufen und es hat ihr offensichtlich die Sprache verschlagen. Sie steht da wie vom Blitz getroffen, mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen, total hilflos. Irgendwie süß, finde ich.
»Schon gut, schon gut, wir haben verstanden«, versuche ich, die zwei Lockenköpfe zu beruhigen und die Situation zu entschärfen. »Werdet erst mal ein paar Jährchen älter, dann könnt ihr vielleicht mitreden.«
»Wenn ich älter bin, werde ich Superman«, quäkt Massimo. »Guck mal, das ist doch echt rattenscharf, oder?« Er zerrt ein ausgewaschenes Superman-Shirt aus Janas Korb, das ihm bestimmt zwei Nummern zu groß ist, und hält es mir stolz entgegen.
Ich nicke. Wenigstens haben er und seine Schwester jetzt ihren albernen Singsang eingestellt. »Ja, ziemlich cool«, sage ich. Und eigentlich nur, um dem Kleinen einen Gefallen zu tun und vor Jana nicht als Unsympath dazustehen, füge ich mit meiner nettesten Onkel-Lukas-Stimme hinzu: »Wenn es das in meiner Größe gäbe, würde ich mir auch eins kaufen.«
Das war ein Fehler, denn augenblicklich fetzt Massimo mit seinem Shirt in der Hand zu der giftig aussehenden Frau an der Kasse und will wissen, ob es Superman auch für Erwachsene gibt. Die Kassiererin erhebt sich, mustert mich abschätzend von oben bis unten und macht sich doch allen Ernstes an den Regalen zu schaffen.
Bitte nicht, flehe ich stumm, bitte, bitte nicht.
Jana kichert und ich werfe ihr einen gequälten Blick zu. Eigentlich bin ich nur deswegen in diesen Schrottladen gegangen, weil im Schaufenster ein paar ganz ordentliche Pullis und Hemden von Versace und Gucci ausgestellt waren – gebraucht natürlich, aber dafür auch für ein Drittel des normalen Preises. Meine Garderobe gibt nämlich noch immer nicht besonders viel her, genauso wie mein Geldbeutel, und ich kann schließlich nicht ununterbrochen dasselbe anziehen, auch wenn ich endlich geschnallt habe, wie die Waschmaschinen im Wohnheim funktionieren. Das neue Valentino-Shirt, das mir der kleine Stinker versaut hat, muss ich wahrscheinlich trotz meiner neu erlangten Waschkenntnisse in die Tonne treten. Die Tomatenflecken gehen einfach nicht raus, sosehr ich auch schrubbe. Wie auch immer, dieser Laden war meine einzige Chance, und ausgerechnet hier muss Noahs Kleine herumstöbern. Bestimmt erfahren jetzt alle anderen, dass sich Lukas Richter im Secondhandladen einkleidet. Cazzo , wie peinlich. Wobei … Ich habe Jana nie wieder zusammen mit Noah gesehen. Ist es wohl schon aus zwischen den beiden? Ich erinnere mich wieder an Tamaras Andeutung, Jana wäre nur so etwas wie ein kleiner Zeitvertreib für Noah.
»Sag mal«, beginne ich und will sie vorsichtig über den Stand der Dinge ausfragen, aber da werde ich schon von der Kassiererin und einem vor Freude auf und ab hüpfenden Massimo unterbrochen.
»Jetzt kannst du auch Superman sein!«, jubelt er und mit spitzen Fingern nehme ich das Shirt entgegen.
»Was soll man da sagen außer … super, Mann ?«, murmele ich und sehe Jana Hilfe suchend an. Aber sie zuckt nur mit den Schultern.
»Du wolltest ja unbedingt eins«, sagt sie ungerührt, gefolgt von einem schelmischen Lächeln, das zwei niedliche, feine Grübchen in ihre Wangen zaubert. Ich weiß nicht warum, aber es kribbelt mich in den Fingerspitzen, die Hand auszustrecken und sie zu berühren.
»Ich bin sicher, das wird dir wunderbar stehen«, fügt Jana hinzu und ihr Lächeln und ihre Grübchen vertiefen sich. »Es ist so … farbenfroh!«
Wow, denke ich, die Kleine ist schlagfertiger, als ich dachte, und ihre dunkelblauen Augen blitzen so klar und wach, als könne ihnen nichts entgehen – selbst meine heimlichsten Gedanken nicht. Ich schüttle grinsend den Kopf. »Ja, ja, mach mich ruhig fertig«, sage ich, »tu dir keinen Zwang an.«
Jana senkt verlegen den Blick, dann wendet sie sich wieder den Kindern zu. »So, jetzt aber los«, ordnet sie energisch an. »Verabschiedet euch brav von Lukas und dann kommt mit zur Kasse!«
»Nur, wenn du dich auch von ihm verabschiedest und dabei das Lustige machst«, entgegnet Vanessa.
»Was denn Lustiges?« Jana runzelt die Stirn.
Massimo kichert. »Na, das, was du uns beigebracht hast, als wir hierhergezogen sind.« Er streckt sich, um Jana
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