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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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etwas ins Ohr zu flüstern.
    »Nein«, sagt sie entschieden und schüttelt vehement den Kopf. »Nein, nein, nein, auf gar keinen Fall. Los jetzt, wir gehen!«
    Wieder färben sich ihre Wangen leicht rot und ich frage mich, was die beiden wohl von ihr verlangt haben.
    »Dann machen wir es eben!«, kräht Vanessa.
    »Au ja!«, schreit Massimo.
    Jana fährt sich seufzend über die Stirn. »Also gut, meinetwegen, aber dann will ich nichts mehr hören, okay? Und nur ein Mal!«
    »Darf ich?«, fragt Massimo seine Schwester und sie nickt und hüpft vor lauter Vorfreude auf und ab, als sich ihr Bruder vor mir aufbaut.
    »Was ist?«, will ich wissen.
    »Du musst dich jetzt von mir verabschieden und mir dabei an der Nase ziehen«, ordnet der Junge an.
    »Äh … okay.« Ich weiß zwar nicht, was das soll, und ich könnte mir etwas Angenehmeres vorstellen, als den Kleinen bei seiner Rotznase zu packen, aber ich will ja kein Spielverderber sein. Ich beuge mich also ein Stück zu ihm hinunter und sage freundlich: »Auf Wiedersehen, Massimo, hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen.« Dabei fasse ich ihm an die Nase und ziehe daran, woraufhin Massimo sein linkes Bein hebt und ein Furzgeräusch macht. Er und Vanessa brechen beinahe ab vor Lachen. Jana, die zwar beide Hände vors Gesicht geschlagen hat, kichert auch – das erkenne ich an ihren zusammengekniffenen Augen. Ich starre die drei an und kann nicht glauben, dass Jana, dieses kleine zurückhaltende Mädchen, ihnen diesen Blödsinn wirklich beigebracht haben soll. Krass, aber ich kenne keine andere ragazza , mit der ich sie vergleichen könnte.
    »Unmögliche Kinder!«, zischt eine dicke Frau, die eben aus der Kabine gekommen ist und mit bösem Blick an mir vorbeiwackelt. »Vollkommen verdorben. Aber kein Wunder, wenn die Eltern selbst noch Kinder sind und nichts als Flausen im Kopf haben.«
    Ich blicke ihr verdutzt hinterher und dann ist es auch um mich geschehen. Ich muss loslachen und kann gar nicht wieder aufhören. Immer, wenn ich mich gerade wieder beruhigt habe, fängt eines der Kinder erneut an zu gackern und ich werde wieder angesteckt. Mir laufen schon die Tränen übers Gesicht und selbst die sauertöpfische Verkäuferin an der Kasse, die keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht, verzieht ihre schmalen Lippen zu einer Art Schmunzeln.
    »Okay, jetzt aber Abmarsch!« Jana schafft es als Erste von uns, sich wieder zusammenzureißen, und schiebt ihre beiden Schützlinge vor sich her zur Kasse. Ich folge ihr kopfschüttelnd mit meiner bescheidenen Ausbeute. Nachdem sie bezahlt und sich mit einem hastigen »Tschüss, mach’s gut« verabschiedet hat, um den zwei Kindern nachzurennen, die bereits aus der Tür sind, überlege ich kurz, das Superman-T-Shirt wieder zurückzulegen. Aber aus irgendeinem Grund entscheide ich mich dagegen.
    Eigentlich hat der kleine Lockenkopf recht, denke ich. Das Teil ist tatsächlich cool. Als Kind hätte ich alles dafür gegeben, nicht mit weißem Kragenhemd, sondern damit zur Schule gehen zu dürfen. Aber solche Kleidung war in meiner Privatschule strengstens verboten.
    Ich blicke aufs Preisschild. Zwei Euro. Alles klar, gekauft! Diesen Luxus kann sich sogar der abgebrannte Lukas Richter leisten. Und außerdem ist es eine nette Erinnerung an den Tag, an dem ich seit Langem so krass gelacht habe, dass ich sogar heulen musste. Gut gelaunt wie nie seit meiner Ankunft in Hamburg, laufe ich nach Hause.

Jana
    Ich bin froh, als die ersten Lichtstrahlen endlich durch die Ritzen meiner Jalousien dringen. Nächte können schrecklich lang und erdrückend sein, wenn man das Gefühl hat, sie würden niemals enden.
    Ich habe mal wieder kaum geschlafen und wenn ich zwischendurch eingenickt bin, dann habe ich so wirr und scheußlich geträumt, dass ich jedes Mal froh war, wieder aufzuwachen. Aber dann lag ich erneut da … Mit offenen Augen und dem Wissen, dass das, was vor vier Monaten geschehen ist, kein Albtraum ist, aus dem ich irgendwann aufwachen werde.
    Es ist die schreckliche Wahrheit, unwiderruflich und für immer. Ich muss mein Leben ohne meinen großen Bruder weiterführen. Er war mein Ein und Alles, nachdem uns unsere Mutter kurz nach meinem zehnten Geburtstag für irgendeinen Typen verlassen hat, ohne sich von uns zu verabschieden, und mein Vater noch öfter zur Flasche griff als früher. Damals war Flo gerade achtzehn. Sobald er sein Abi in der Tasche hatte, zog er aus unserem heruntergekommenen Mietsreihenhaus in Bremen aus, fand in

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