Wenn auch nur fuer einen Tag
mich noch einmal zu ihr um. »Sag mal … Glaubst du, Jana wollte auch etwas von Noah? Ich meine, bevor du sie vor ihm gewarnt hast?«
Amelie schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung«, murmelt sie matt. »Ich habe echt keine Ahnung.«
Auf dem Weg zum Studentenwohnheim schwirren mir tausend Fragen im Kopf herum. Vor allem frage ich mich, ob ich Jana die Wahrheit über Noah erzählen muss. Aber je länger ich darüber nachgrüble, desto heftiger sträube ich mich dagegen. Erstens: Ich habe Amelie versprochen, niemandem etwas zu verraten. Zweitens: Noah mag vorhin ziemlich betrunken gewesen sein und er hat jede Menge Blödsinn gelabert, aber in einem Punkt hatte er recht: Jana passt nicht in seine Welt. Und das liegt nicht nur daran, dass sie weder angesehene Eltern noch genügend Kohle hat, sondern schlicht und ergreifend daran, dass sie zu gut und zu wenig skrupellos ist. Ich meine, Jana arbeitet ehrenamtlich in einer Betreuungsstätte für Kinder, das sagt doch schon alles. Ich kenne sonst niemanden, der das tut. Jana würde an Noahs Seite unglücklich werden. Es ist nur fair, sie davor zu bewahren.
Okay, und dann gibt es da vielleicht noch ein paar klitzekleine andere Gründe, die dagegensprechen, Jana die Wahrheit zu sagen, aber die fege ich als nebensächlich beiseite. Vielleicht, weil ich mich selbst darüber wundere, wie sehr ich Jana nach unseren wenigen Begegnungen mag. Weil ich nicht checke, was mich an einem Mädchen wie ihr fasziniert. Weil ich nicht zugeben will, wie sehr ich mich jedes Mal freue, wenn ich sie wiedertreffe. Und weil ich mir nicht eingestehen will, dass es mich echt fertigmachen würde, sie an Noahs Seite – oder an der irgendeines anderen Typen – zu sehen.
Jana
»Dann frag sie doch einfach, was mit ihr los ist. Also wirklich, immerhin ist sie deine Cousine, ich dachte, ihr beiden versteht euch so gut.«
»Hm, stimmt ja auch, ich will sie nur nicht bedrängen. Wenn sie reden will, wird sie es von selbst tun. Wir haben da so eine Abmachung.«
Ich schließe leise die Haustür. Carlas und Alex’ Stimmen dringen aus der Küche und so wie es sich anhört, geht es dabei um mich. Wieder mal.
Es stimmt, seit Samstag war ich echt nicht gut drauf, obwohl ich versucht habe, es mir nicht anmerken zu lassen. Hat wohl nicht so richtig geklappt. Klar, dass die arme Carla denken muss, ich hätte wieder eine Krise wegen Flo. Sie kann ja nicht wissen, dass ich – ganz im Gegenteil – in den letzten Tagen viel weniger als sonst an seinen Tod gedacht habe, sondern vielmehr daran, wie Lukas Tamara an die Wäsche geht. Es ärgert mich ja selbst, dass mich die Sache so beschäftigt und ich dieses unangenehme flaue Gefühl in meinem Magen einfach nicht mehr loswerde. Ich wache damit auf, gehe damit zur Uni, schlafe damit ein. Nur heute, an meinem ersten Arbeitstag, wurde es etwas ins Abseits gedrängt. Aber kaum war ich auf dem Weg nach Hause, hat es mich auch schon wieder eingeholt und daran erinnert, wie blöd ich war, insgeheim zu hoffen, Lukas würde sich freiwillig eine Sexbombe wie Tamara entgehen lassen, am besten noch, um sie gegen jemanden wie mich einzutauschen.
Das Schlimme ist: Sosehr ich auch versuche, mir einzureden, Lukas wäre mir egal, es ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich selbst damit belüge. Denn ich glaube, die Wahrheit ist, ich habe mich ein bisschen in ihn verknallt. Vielleicht sogar ein bisschen mehr als nur ein bisschen. Vielleicht sogar richtig, wenn ich an den Schmetterlingsschwarm auf Noahs Party zurückdenke. Oh Gott, was für ein Schlamassel!
»Jana, bist du das?«
»Nein, der Pizzaservice! Hat hier vielleicht jemand Hunger?« Ich bemühe mich um meine fröhlichste Gute-Laune-Stimme.
»Wow!« Carla springt auf und nimmt mir die große Pappschachtel ab. »Oh, super, die ist ja noch ganz warm! Und? Erzähl mal, wie war denn dein erster Tag? Waren alle nett zu dir?«
»Ja, hat echt Spaß gemacht.« Ich lasse mich ächzend auf einen Stuhl fallen. »Wenigstens, nachdem ich verstanden habe, wie das Navi funktioniert. Aber jetzt bin ich fix und fertig. Ich bin stundenlang durch ganz Hamburg gegurkt und war in Ecken, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass sie existieren.«
»Mmmh! Hauptsache, du hast zurück nach Hause gefunden!« Carla beißt herzhaft in ein Stück Pizza. »Genial! Oh, erwartest du etwa Trinkgeld von uns? Alex, Schatz, bitte sei doch so gut …«
»Schon gut, lass mal stecken«, winke ich lachend ab. »Ich bin auch mit einer Cola
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