Wenn auch nur fuer einen Tag
schizophren oder den absoluten Fiesling halten. Ich weiß, dass ich ihre Gefühle verletzt habe. Ihre Augen haben es verraten, auch wenn sie sich bemüht hat, sich nichts anmerken zu lassen.
Jana hat sich wahrscheinlich mehr erhofft, nachdem ich ihre Hand genommen und nicht mehr losgelassen habe. Sie hat auf einen Hinweis gewartet, eine Geste, irgendetwas, das ihr klarmacht, dass ich sie wiedersehen will.
Aber genau dieser erwartungsvolle Ausdruck in ihren Augen hat mir plötzlich eine Scheißangst eingejagt. Ich fühlte mich absolut überfordert und alles, was danach noch aus meinem Mund kam, hörte sich einfach nur bescheuert und armselig an.
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Jana mir tatsächlich so schnell eine Chance geben würde, ihr näherzukommen. Ich dachte, ich müsste mich dafür noch viel mehr ins Zeug legen, auch wenn sie ihre Hand vorhin nicht weggezogen hat. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Als das Licht anging, war alles Misstrauen aus ihrem Gesicht verschwunden. Ihr vertrauenswürdiges Lächeln und der Glanz in ihren Augen haben mich so geplättet, dass mir ganz schwindlig geworden ist und mir mein ursprünglicher Gedanke, sie als Starthilfe für mein neues Leben zu benutzen, mit einem Mal nur noch mies und hinterhältig vorkam.
Ein Mädchen wie Jana hat mehr verdient, viel mehr. Und zwar jemanden, der nicht nur an seine eigenen Vorteile denkt, wenn er mit ihr zusammen ist, sondern der ihr sagt, dass er sie liebt, und alles dafür tut, ihr jeden verdammten Wunsch von den Augen abzulesen, damit sie nie wieder aufhört zu lächeln. Aber was könnte ich ihr schon bieten? Ich weiß ja noch nicht einmal, wer ich überhaupt bin, und »Ich liebe dich« habe ich noch nie zu einer Frau gesagt. Der Satz kam mir immer übertrieben und lächerlich vor. Wie eine kitschige Hollywood-Erfindung eben.
Ich gebe es ja nur ungern zu, aber vermutlich wäre Jana sogar an Noahs Seite besser aufgehoben als an meiner. Wenigstens spielt er ihr im Gegensatz zu mir nichts vor.
Mein Blick fällt auf den Zettel in meiner Hand und mein Herz verkrampft sich beim Anblick der krakeligen, hastig notierten Ziffern. Janas letzte geballte Kraft steckt darin. Die Kleine hat wirklich Mut. Noch etwas, das uns voneinander unterscheidet. Sie ist zu stolz, um aufzugeben, sie zieht die Dinge bis zum bitteren Ende durch, auch wenn sie sauer und verletzt ist. Und ich, ich renne entweder vor meinen Problemen weg oder bleibe starr auf der Stelle stehen. Je nachdem, was gerade bequemer ist.
Langsam wie in Zeitlupe laufe ich Richtung Ausgang. Die Gänge sind so gut wie leer gefegt und jeder meiner Schritte hallt kalt auf dem Betonboden.
Ich erinnere mich daran, wie oft ich in Selbstmitleid gebadet habe, als ich noch Matteo Orsini war. Ich fühlte mich missverstanden, bevormundet und ungerecht behandelt. Aber verglichen mit meiner jetzigen Lage war mein Leben ein Kinderspiel, denn wenigstens musste ich mir keine Gedanken darüber machen, ob ich jemanden verletzte. Alle waren sowieso schon daran gewöhnt, von mir enttäuscht zu werden – sogar ich selbst, und auf einen Fehler mehr oder weniger kam es nicht an. Aber jetzt ist das anders. Ich will niemanden mehr vor den Kopf stoßen, zumindest nicht Jana. Umso schlimmer, dass ich es eben getan habe.
» Scusi , Onkel Fred«, murmle ich, »aber ich schätze, ich hab’s doch vermasselt.«
Ich betrachte noch einmal den Zettel mit ihrer Nummer, dann zerknülle ich ihn kurzerhand und werfe ihn in den Abfalleimer. Ich werde mich von Jana fernhalten, bevor ich sie noch mehr enttäusche oder ihr Hoffnungen mache, die ich dann doch nicht erfüllen kann.
Ich drücke gegen die schwere Ausgangstür, aber sie lässt sich nicht öffnen.
»Ist schon zu!« Die Stimme einer kleinen, drahtigen Putzfrau gellt durch den Gang. »Sie müssen auf den Türöffner drücken, den kleinen Knopf dort, links in der Mauer!«
Ich nicke, strecke meinen Zeigefinger aus und drücke.
Matteo
Ich drückte bestimmt fünfmal auf den Klingelknopf, bevor mir der wortkarge Paolo Testa, eines der anderen Mitglieder, endlich die Tür öffnete. Leise Pianomusik klimperte mir entgegen.
»Oh Mann, bin ich etwa der Letzte? Ich hab’s echt nicht gefunden, dabei dachte ich, ich kenne jedes Drecksloch in Rom.«
Paolo nickte mir knapp zu. »Fernando hat eine Vorliebe für Versteckspiele. Mit der Zeit entwickelt man einen gewissen Spürsinn dafür, wirst schon sehen. Los, komm mit, er wartet auf dich.«
Paolos Aussage
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