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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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erstes Versprechen, das ich ablegen musste, nachdem ich versicherte, auch in Zukunft eingeladen werden zu wollen, lautete: Niemanden mitbringen und, vor allen Dingen, keiner Menschenseele von der Existenz der Rosa Nera erzählen!
    »Wir sind kein Wohltätigkeitsverein«, erklärte Alberti mir. »Vielmehr sind wir so etwas wie eine Familie – auch wenn die Bezeichnung schwulstig klingen mag – einen besseren Vergleich gibt es nicht. Und Fakt ist: Nicht jeder ist nun mal ein Familienmensch.«
    Ich fand diese ganze Familien- und Geheimbundsache zwar eine Spur zu abgefahren und antiquiert, aber es bekam dadurch auch etwas Spannendes und erinnerte mich an früher, als mein Bruder und ich Detektiv spielten und irgendwelche Banden gründeten. Alberti selbst nahm die Treffen und die damit verbundenen Rituale allerdings mehr als ernst. Als ich einmal einer Einladung nicht nachkommen konnte, weil mein Bruder seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag feierte, war er ziemlich angepisst.
    »Hast du den Brief nicht bekommen?«, war das Erste, was er mich unterkühlt fragte, als wir uns die Woche drauf wiedersahen. Ich hatte ihn noch nie schlecht gelaunt erlebt und sein missmutiger Ausdruck irritierte mich.
    »Klar, doch, aber … mein Bruder Fabio hat ’ne Party gegeben, also …«
    »Ich weiß«, antwortete Alberti brüsk. »Ich auch – und ich dachte eigentlich, du wüsstest, welche von beiden wichtiger ist!«
    In diesem Moment wurde mir zum ersten Mal mulmig und ich fragte mich, was Alberti mir wohl damit klarmachen wollte, aber im nächsten Augenblick schlug er mir schon wieder freundschaftlich auf die Schulter. »He, schon in Ordnung, haken wir es einfach als einmaligen Ausrutscher ab. Los, lass uns zusammen einen trinken. Wie lief deine Klausur letzen Mittwoch? Baustatik, oder?«
    Ich nickte, erstaunt darüber, was für ein gutes Gedächtnis dieser Typ hatte. Alberti zeigte sich den Rest des Abends wieder entspannt und kameradschaftlich, aber mein Respekt ihm gegenüber blieb, und seit diesem Vorfall achtete ich darauf, keines der Treffen mehr zu verpassen.
    Umso mehr ärgerte es mich jetzt, dass ich diese beschissene Eisentür nicht fand. Ich erhob mich mit einem Ächzen wieder und – da lag sie. Direkt vor mir. Ich musste bestimmt schon fünfmal an ihr vorbeigelaufen sein, ohne dass sie mir aufgefallen war. Kein Wunder: Sie war komplett überrankt mit wildem Efeu und das Licht der entfernten Straßenlaterne streifte sie nur vage. Mein Puls beschleunigte sich, als ich die bröckeligen Treppenstufen hinabstieg. Links neben der Tür entdeckte ich einen alten Klingelknopf im Mauerwerk. Ich streckte meinen Zeigefinger aus und drückte.

Jana
    Dottore Tozzi knipst das Licht an, noch während der Abspann läuft, und jeder im Raum kneift die Augen zusammen. Als sich unsere Augen an die grelle Beleuchtung gewöhnt haben, setzen sofort lautes Gemurmel und das Scheppern zahlloser zuschnappender Klappstühle ein. Lukas lässt meine Hand los und fährt sich über die Stirn. Mit einem nervösen Kribbeln im Bauch schiele ich zu ihm und frage mich, wie es jetzt wohl weitergeht. Wer wird als Erster etwas sagen? Wie gehen wir miteinander um, nun, wo es wieder hell ist, laut und real und wir nicht mehr im Schutz der Dunkelheit einfach nebeneinandersitzen und schweigend Händchen halten können?
    »Also, dann, bis nächste Woche, ragazzi «, ruft Dottore Tozzi gegen den Lärm der herausströmenden Studenten an. »Wir werden uns hauptsächlich mit Fragen zur Gesellschaftskritik in Fellinis Film beschäftigen. Natürlich in italiano . Und bitte widmen Sie sich dazu dem dritten und vierten Kapitel des Buches Literaturverfilmung , das auf Ihrer Leseliste aufgeführt ist.«
    Lukas erhebt sich von seinem Stuhl und streckt sich. Seine Augen sehen müde und glanzlos aus und sein Gesicht ist ungewöhnlich blass.
    »Und?«, frage ich ihn mit einem vorsichtigen Lächeln, als ich ebenfalls aufstehe und meine Tasche vom Boden aufhebe. »Hast du ein bisschen was verstanden?«
    Dieser Small Talk fällt mir alles andere als leicht, aber irgendeiner von uns beiden muss ja schließlich den Anfang machen.
    Lukas blickt mich mit leicht verwirrtem Ausdruck an, so als erinnere er sich erst jetzt wieder daran, dass ich ja auch noch da bin. Dann nickt er zerstreut. »Ja, doch, es war ganz okay. Ich hatte ein paar Italienischkurse in der Schule …«
    »Echt?« Mein Mund ist trocken und mein Herz klopft noch heftiger als vorhin, als Lukas unerwartet nach meiner

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