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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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wunderbar als Tischdecke. Und in die Mitte kommt der Kerzenleuchter. Es ist seltsam, aber seit ich weiß, dass Lukas keiner dieser reichen, arroganten Schnösel ist, fühle ich mich viel lockerer in seiner Gegenwart.
    »Perfekt.« Ich werfe Lukas einen Blick zu und sehe, dass seine Augen leuchten. Es gefällt ihm also auch. »Und hier habe ich sogar die perfekte Musik.« Lukas steckt die CD in seinen Laptop und schließt ihn an die Boxen an. Sofort erschallt Adriano Celentanos schmelzende Stimme.
    Lukas schüttelt den Kopf. »Du bist echt verrückt! Gib’s zu, das alles machst du bloß, damit ich auf Rossis Homepage auch eine Fünf-Sterne-Bewertung abgebe. Und du sackst eine Megaprämie ein.«
    »Erwischt!«
    Lukas drückt mir ein Glas Rotwein in die Hand. »Sind zwar nur Wassergläser, aber was soll’s.«
    »Genau«, pflichte ich ihm bei und schiebe den Gedanken schnell von mir, dass ich nachher nicht mehr Auto fahren kann, wenn ich jetzt etwas trinke. »In den besten Restaurants in Rom gibt es auch nur Wassergläser. Mein Bruder sagt immer: Je kürzer die Stiele der Gläser, desto … besser das Essen.« Ich beiße mir auf die Zunge und bin froh, dass Lukas jetzt sein Glas hebt, um mit mir anzustoßen.
    »Auf dich – und darauf, dass ich dich überreden konnte zu bleiben«, sagt er lächelnd und ich lasse mein Glas an seins klingen, ohne etwas zu erwidern. Ich bin immer noch erschrocken über das, was mir eben wie von selbst über die Lippen gekommen ist.
    Hastig nehme ich ein paar Schlucke Rotwein, um meine Verwirrung herunterzuspülen.
    Lukas verteilt das Essen auf zwei Teller und wir setzen uns. »Wo arbeitet dein Bruder eigentlich in Rom?«, will er prompt wissen und seine Frage landet in meiner Magengrube wie ein Stein. Ich lasse die Gabel sinken. Ich muss es Lukas sagen. Es ist der Abend der Geständnisse. Ich darf ihn nicht weiter belügen, das wäre unfair. Aber meine Stimme sträubt sich gegen die Wahrheit, genau wie meine Zunge, die sich störrisch gegen meine Zähne presst.
    »Alles in Ordnung, Jana?«
    Ich nicke und greife erneut zu meinem Weinglas. »Die Nudeln waren nur etwas heiß.«
    »Also?«, hakt Lukas nach. »Was macht dein Bruder? Arbeitet er als Sprachlehrer, so wie du es auch vorhast?«
    Ich öffne den Mund. Ich habe die Worte genau im Kopf, sie sind nicht schwer. Und es sind nicht viele. Er lebt nicht mehr, muss ich sagen. Er ist im Dezember gestorben. Es war kein normaler Tod, er wurde ermordet. Auf der Straße. Es war der Horror, als die Nachricht kam. Und jetzt ist es immer noch schrecklich. Ich will einfach nicht wahrhaben, dass er nicht mehr da ist. Lass uns bitte über etwas anderes reden.
    »Er ist Pressereferent bei der deutschen Botschaft«, höre ich mich stattdessen sagen. Und jedes einzelne Wort hallt in meinem Kopf nach wie ein Echo.
    »Wow, dann hat er es echt drauf, oder? Ich schätze, da kommt nicht jeder rein.«
    Ich zögere, obwohl ich bereits weiß, dass ich weiterlügen werde. Der Zeitpunkt für die Wahrheit ist verstrichen. Und ich will ihn nicht zurückholen. Ich kann nicht. Mir fehlt die Kraft dazu.
    »Nein, Flo hat ziemlich hart dafür gearbeitet. Er hat Politikwissenschaft studiert und in den Nebenfächern Journalismus und Italienisch. Er wusste schon immer genau, was er wollte.«
    Es erstaunt mich, wie leicht die Sätze jetzt aus meinem Mund flutschen und sich dabei so betörend wahr anhören. Vielleicht, weil sie es einmal waren und eigentlich noch immer sein sollten.
    »Beneidenswert«, erwidert Lukas. »Ich wünschte, ich hätte irgendeinen Plan. Aber ich hänge gerade total in der Luft. Hat dein Bruder vielleicht einen Tipp, wie ich das ändern könnte? Frag ihn doch das nächste Mal, wenn ihr telefoniert.«
    Ich lache, vermeide es aber, ihm in die Augen zu blicken. »Okay, mache ich. Können wir … vielleicht kurz das Fenster aufmachen? Mir ist auf einmal schrecklich heiß.«
    »Klar. Warte, ich hol dir ein Glas Wasser.«
    »Danke.« Ich nehme Lukas das Glas aus der Hand und stürze es in einem Zug herunter. Das kühle Wasser tut meiner trockenen Kehle gut und ich merke, wie ich mich wieder entspanne. »Weißt du denn nun schon, ob du auch zu Italienisch wechseln möchtest?«, frage ich ihn, um unser Gespräch schnell auf ein anderes Thema zu lenken.
    Lukas zuckt mit den Schultern. »Na ja, ich hatte schon immer einen besonderen Draht zu der Sprache und zu dem Land. Aber vielleicht setze ich dieses Semester auch ganz aus und schau mir noch ein paar andere

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