Wenn auch nur fuer einen Tag
Stärke war es, geduldig abzuwarten, bis der richtige Zeitpunkt für die jeweilige Idee kam, um sie dann umzusetzen.«
Beck schüttelt den Kopf. »Die ganze Sache hätte noch viel schlimmer ausgehen können, Lukas. Noch mehr Menschen hätten …« Er bricht mitten im Satz ab, aber ich weiß auch so, was er sagen wollte: Und noch mehr Menschen hätten dabei draufgehen können. All jene, die Alberti und seinen Plänen in irgendeiner Form in die Quere gekommen wären. Ich weiß es. Ich selbst sollte sein Opfer werden. Filippo wurde es einige Tage zuvor und Paolo, der sich aus Angst vor Alberti das Leben nahm, letztendlich auch. Genau wie diese andere arme Sau, dieser junge Typ, der nur zur falschen Zeit am falschen Ort war.
»Und wie läuft es mit deiner Freundin, dieser Jana?« Beck wechselt plötzlich das Thema, als er sich erhebt und streckt. »Ihr seid doch jetzt zusammen, oder?«
Ich grinse. »Ich schätze, ja. Wir sehen uns fast jeden Tag, unternehmen viel zusammen. Und sie hat keinen Kontakt zur High Society, was dir besonders gefallen dürfte.«
Beck grinst und nickt zufrieden.
Dass ich mich jeden Tag, wenn ich mit dem Gedanken an Jana erwache, trotz Ebbe auf dem Konto reich fühle, dass ich manchmal erschrecke, wenn ich sie und mich plötzlich in zwanzig Jahren Hand in Hand vor mir sehe, dass ich mir schon jetzt nicht mehr vorstellen kann, jemals wieder ohne sie zu sein, dass mir allein ihre Nähe genügt, um das Leben als lebenswert zu empfinden, das alles verschweige ich Beck.
Wie soll man auch über Gefühle sprechen, die man selbst zum ersten Mal verspürt und noch gar nicht richtig einzuordnen weiß, weil sie sich auf einen stürzen, ohne danach zu fragen, ob man überhaupt schon bereit für sie ist?
»Bring sie am Sonntag doch einfach zum Essen mit«, schlägt Beck vor. »Anne würde sie gerne mal kennenlernen.«
»Meinetwegen«, brumme ich und verabschiede mich dann.
Um ehrlich zu sein, bin ich nicht besonders scharf darauf, Jana nach gerade mal ein paar Wochen, die wir jetzt zusammen sind, schon meine »Verwandtschaft« zuzumuten. Aber andererseits ist es vielleicht auch gar nicht so schlecht, überlege ich weiter. Dann konzentrieren sich ihre Fragen bezüglich meiner Familie in Zukunft mehr auf Onkel Fred, Tante Anne und meinen kleinen nervigen Cousin, anstatt auf meine verstorbenen Eltern. Ein paarmal hat Jana versucht, mehr über sie zu erfahren, aber ich habe unser Gespräch immer schnell wieder auf ein anderes Thema gelenkt. Nicht, weil ich keine Antworten darauf gewusst hätte. Mein Lebenslauf steht schließlich bis ins letzte Detail. Aber ich will sie einfach so wenig anlügen wie möglich, und mir wird jedes Mal schlecht, wenn ich nicht umhinkomme, es doch zu tun.
Manchmal schleicht mich dann die Frage an, was wohl geschieht, wenn sie Alberti schnappen und ich doch wieder nach Hause kann. Wenn ich wieder Matteo Orsini werde. Wäre Jana nicht zutiefst erschüttert, wenn sie die Wahrheit über mich erführe? Könnte ein so aufrichtiger und geradliniger Mensch wie sie jemals nachvollziehen, wie man sich auf einen wie Alberti einlassen kann?
Ich versuche zwar, all diese Überlegungen von mir zu schieben, aber insgeheim weiß ich: Sie sind der Grund dafür, dass mein ursprünglicher Wunsch, bald wieder von hier verschwinden und mein früheres Leben zurückzubekommen, von Tag zu Tag leiser wird. Denn meine größte Angst ist, dass Jana mich hassen und verabscheuen könnte für das, was ich getan habe.
Jana
»Also lerne ich gleich deinen Süßen kennen?«, fragt Carla aufgeregt, als ich mir die Schuhe anziehe. »Wird aber auch höchste Zeit!«
»Was? Bis jetzt warst du doch überhaupt nicht scharf drauf«, halte ich dagegen. »Und wenn es nach dir gegangen wäre, hätte ich noch vor ein paar Wochen sein Herz aufessen sollen.«
»Quatsch, einen Herzkuchen mit seinem Namen drauf«, stellt Carla richtig. »Na und? Da sah die Welt ja auch noch anders aus, wenn ich dich daran erinnern darf. Und danach wollte ich erst einmal abwarten, ob er dich auch wirklich glücklich macht oder doch bloß wieder enttäuscht. Diese Vorgeschichte mit Tamara hat mich skeptisch gemacht, das gebe ich zu. Aber jetzt, wo ihr seit vier Wochen unzertrennlich seid und Tamara immer noch von ihrem schmalzigen Freund abgeholt wird, schätze ich, es wird Zeit, meine Bedenken beiseitezuschieben. Also, wann kommt er?«
»Jeden Moment, aber leider wirst du nicht viel von ihm haben. Wir sind bei seinem Onkel und seiner
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