Wenn auch nur fuer einen Tag
und nichts tut, ist sie doch total langweilig. Wie kann sie denn da etwas interessanter werden lassen?«
»He, ich bin ganz und gar nicht langweilig«, widerspreche ich empört. »Zeig mir deine Spielsachen und ich beweise es dir.«
»Echt? Au ja!« Felix springt sofort von seinem Stuhl und fetzt voran in sein Kinderzimmer. Lukas und ich wechseln noch einen zärtlichen Blick, dann folge ich dem Kleinen.
Es wird ein lustiger, wunderschöner Nachmittag, denn als Lukas schließlich auch noch dazukommt und fragt, ob er mitspielen kann, ist Felix total aus dem Häuschen. Seine Wangen glühen und er weiß gar nicht, welche Spielsachen er zuerst hervorholen soll.
»Also, Lukas, du darfst mein Piratenschiff haben«, kräht er aufgeregt. »Und Jana, du kriegst den ganzen Zoo. Und wenn du willst, auch die Polizeistation. Oder nein, doch lieber den Gemüseladen, weil du ja ein Mädchen bist.«
Wir lassen uns von Anne Beck Schachteln und verschiedenfarbige Decken geben und bauen daraus eine Landschaft für Felix’ Playmobilfiguren, die sich über den Boden des gesamten Kinderzimmers erstreckt. Felix’ Augen glänzen, als Lukas das Piratenschiff durch einen engen Kanal schleust, um einen Angriff aus dem Hinterhalt auf die Ritterburg zu planen. Er liebt seinen großen Cousin, das ist nicht zu übersehen. Alles, was Lukas sagt, wird von ihm aufgesaugt und mindestens zwanzigmal wiederholt.
Es ist schon fast dunkel, als wir uns verabschieden.
»Nein, bleibt doch noch«, bettelt Felix. »Es ist noch gar nicht spät! Ich muss erst um halb acht ins Bett.«
»Aber die beiden wollen jetzt noch ein bisschen für sich sein«, erklärt Anne Beck. »Weißt du was, dafür spiele ich noch ein bisschen mit dir. Darf ich den schwarzen Ritter haben?«
»Nein, das geht nicht. Lukas war der Piratenkönig, er hat den schwarzen Ritter besiegt und ihn und das Schlossgespenst als Geisel genommen. Jetzt sind sie auf der Insel gefangen und der Papagei bewacht sie, damit sie nicht abhauen können.«
»Oh, na dann …«, sagt seine Mutter schmunzelnd und mit einem resignierten Schulterzucken.
»Wir kommen nächsten Sonntag wieder«, verspricht Lukas und wuschelt Felix durch die Haare. »Bis dahin kannst du dir eine Befreiungsstrategie für den schwarzen Ritter überlegen. He, pack mich mal zum Abschied an der Nase, Kleiner!«
Felix gehorcht und Lukas erntet für sein donnerndes Furzgeräusch einen jubelnden Applaus und allergrößte Anerkennung von Felix.
Als wir die Straße hinunter zur U-Bahn schlendern, lächelt Lukas immer noch zufrieden vor sich hin. Ihm hat der Nachmittag bei seiner Familie gefallen, das sehe ich. Und ich habe ihn ebenso genossen, weil ich bei ihm und den Menschen sein durfte, die ihm nahestehen. Er lässt mich an seinem Leben teilhaben und das bedeutet mir mehr, als er sich vorstellen kann. Wieder durchfährt mich ein kurzes, unangenehmes Gefühl, als ich daran denke, dass ich ihm im Gegenzug ein wichtiges Detail meines Lebens verheimliche. Schnell schiebe ich es beiseite.
»Danke«, sage ich stattdessen leise.
»Wofür?«
»Dafür, dass du mich mitgenommen hast zu deiner Familie. Und dafür, was du vorhin beim Essen gesagt hast. Ich meine, über mich.«
Lukas bleibt stehen und sieht mich an. Lange und eindringlich. Dann streichelt er mir übers Haar, über die Wangen, fährt mit der Spitze seines Fingers meine Augenbrauen und meine Lippen nach. Dieses Mal sagt er nichts. Aber das macht nichts. Für das, was er in diesem Moment fühlt, gibt es keine Worte. Ich weiß es. Denn ich fühle dasselbe.
Lukas
»He, was ist denn jetzt mit deinem strengen Fragenkatalog?«, frage ich Carla, während ich mir einen Aperol Sprizz mixe. Ich liebe dieses Zeug. Es schmeckt nach Sommer und zu Hause. »Ich habe mich extra gut vorbereitet und mir Mut angetrunken. Also … Ich bin bereit.«
Carla kichert. »Hm, wenn du mir auch so einen machst, könnte ich eventuell auf ein offizielles Verhör verzichten«, erwidert sie großzügig und hält mir ihr leeres Glas hin. »Außerdem haben wir ja schon zwei Runden Therapy gespielt. Ich schätze, ich weiß jetzt alles, was wichtig ist.« Sie rollt vielsagend mit den Augen.
»Ja, wir wissen, dass er ein mieser Zeichner ist«, kommentiert Alex trocken mit einem Blick auf die Fratze, die ich auf einen Zettel gekritzelt habe.
Tatsächlich ist das Porträt, das ich von Jana zeichnen musste, grauenhaft geworden. Dabei dachte ich bisher immer, ich treffe Gesichter ganz gut, aber in ihrem Fall
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