Wenn aus Verlangen Schicksal wird
Schwangerschaft durchgearbeitet?“
„Ja.“
Nun sah er wieder von seinem Teller auf und musterte sie. „Du hast auch nicht genug gegessen. Du bist dünner als früher.“
„Gefällt es dir nicht?“
Doch sein hungriger Blick verriet, dass ihr Körper ihm auch jetzt noch mehr als nur gefiel. Selene unterdrückte die Welle der Erregung, die in ihr aufstieg, und hätte darüber fast seine nächsten Worte überhört.
„Aber es gefällt mir nicht, dass du nicht gut genug auf dich selbst aufpasst.“
Nun wandte sie den Blick ab. „Ich hatte viel um die Ohren, und seit ich Alex habe, ist es noch mehr geworden. So viele Sorgen.“
„Was bereitet dir Sorgen?“, hakte er nach. So beiläufig sein Tonfall auch zu sein schien – Selene spürte, dass ihn die Antwort brennend interessierte.
„So ziemlich alles. Scheint so, als ob die Mutterschaft vor allem daraus besteht, sich Sorgen zu machen.“
„Erzähl mir mehr.“
Erst als er sie dazu aufforderte, wurde ihr klar, wie gern sie über all diese Dinge sprechen, die Last teilen wollte. Nur dass da bisher einfach niemand gewesen war, mit dem sie hatte reden können. Aber jetzt gab es Aristedes. Und er wollte , dass sie ihm alles erzählte. Plötzlich brach alles flutartig aus ihr heraus.
„Ich mache mir ständig Sorgen um Dinge, die mir früher nicht einmal aufgefallen sind. Ich erfinde Sorgen, manchmal bin ich geradezu besessen! Dann denke ich bei der Arbeit daran, was Alex alles Schreckliches passieren könnte. Ich rufe Eleni an, und wenn sie nicht nach dem zweiten Klingeln abnimmt, drehe ich durch. Einmal bin ich sogar mitten am Tag wie eine Wahnsinnige von der Arbeit nach Hause gerast, weil ich sie nicht erreicht habe. Als ich dann zu Hause ankam, stellte sich heraus, dass sie das Telefon nicht gehört hatte, weil sie Alex gebadet hat. Seitdem nimmt die Arme ihr Handy sogar mit unter die Dusche.“
Aristedes verkniff sich ein Lächeln. „An deiner Stelle hätte ich wahrscheinlich auch zu drastischen Maßnahmen gegriffen.“
Danach floss das Gespräch wie von selbst. Selene erzählte Aristedes von jedem noch so kleinen Ereignis, seit sie erfahren hatte, dass sie schwanger war. Er schien unersättlich zu sein, wollte alles wissen. Und wenn sie einmal für kurze Zeit schwiegen, entstand nicht etwa eine unangenehme Spannung, sondern ein Gefühl der Verbundenheit und Zufriedenheit.
Selene konnte es kaum glauben. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass sie sich eines Tages einfach so und vollkommen ungehemmt mit Aristedes unterhalten würde. Doch noch viel mehr brachte sie das durcheinander, was sich zwischen Aristedes und Alex abspielte. Alex konnte überhaupt nicht genug von seinem Vater bekommen. Und Aristedes erstaunte sie mit seiner endlosen Geduld, seinem instinktiven Gespür für das, was sein Sohn brauchte.
Der Tag floss dahin, und Selene genoss es, ausnahmsweise einmal all das, was sie sonst alleine mit Alex machte, mit einem anderen Erwachsenen zu teilen. Aristedes lernte in Windeseile, spielte mit Alex, badete ihn, zog ihn um und brachte ihn für sein Mittagsschläfchen ins Bett.
Während Alex schlief, verwöhnte Aristedes sie mit einem kleinen Snack, und später fütterte er wieder seinen Sohn.
Doch gegen sechs stand er plötzlich abrupt auf und erklärte, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hätte. Alex protestierte heftig und setzte all seine Waffen ein, als er begriff, dass Aristedes aufbrach. Doch der beruhigte ihn und versprach, dass er bald wieder da sein würde. Aus unerklärlichen Gründen schien Alex ihn nicht nur zu verstehen, sondern ihm auch zu glauben. Er ließ sich absetzen und wandte sich zufrieden wieder seinem Spielzeug zu.
Als Aristedes nach einer Stunde noch nicht wieder da war, gelangte Selene zu der Überzeugung, dass sie ihn nie wiedersehen würde.
Wahrscheinlich war ihm der Alltag mit einem Baby einfach zu langweilig, zu anstrengend, zu gewöhnlich. Wahrscheinlich fand er all das so unerträglich, dass er in Zukunft einen großen Bogen um sie und Alex machen würde.
Dann klingelte es, und Selene eilte mit einem Eifer zur Tür, für den sie sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Genauso wie für ihre unendliche Erleichterung, als es tatsächlich Aristedes war, der vor der Tür stand.
Diesmal hatte er Blumen und zwei Geschenke mitgebracht.
Mit einem durchdringenden Blick reichte er ihr die Blumen. Völlig überrumpelt nahm Selene sie entgegen und beobachtete wortlos, wie er zu Alex ging, der ihn
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