Wenn aus Verlangen Schicksal wird
ersten Sonnenstrahlen durch ihr Schlafzimmerfenster fielen, war sie vollkommen aufgewühlt.
Aber immerhin hatte Selene einen Entschluss gefasst. Gleich nach dem Aufstehen würde sie Aris anrufen und ihm sagen, dass sie dieses Experiment abbrechen musste. Wenn er Alex weiter sehen wollte, würden sie das einrichten. Aber sie selbst wollte keine Rolle mehr in Aris’ Leben spielen. Denn im Verlauf der Nacht war sie zu der Überzeugung gekommen, dass es zwischen ihnen einfach nicht gut gehen konnte. Eine Beziehung würde entweder in einer Katastrophe enden oder langsam auslaufen. Und darauf konnte und wollte sie sich nicht einlassen, so sehr sie sich auch nach Aris’ Nähe sehnte.
Um Punkt acht Uhr rief sie ihn an.
Sekunden später hörte sie ein Handy klingeln. Und zwar auf der anderen Seite der Wohnungstür.
Ihr Herz tat einen schmerzhaften Satz, dann schlug es in rasendem Tempo weiter.
Aris. Er war schon hier! Er war wiedergekommen!
Anstatt ihren Anruf wegzudrücken und einfach an der Tür zu klingeln, nahm er ab und sagte: „ Kalimera , Selene! Hoffentlich hast du besser geschlafen als ich.“
„Hast du auch die ganze Nacht kein Auge zubekommen?“
Er lachte leise auf, ein samtiges, angenehmes Geräusch, das sich anfühlte wie eine sinnliche Liebkosung. Unwillkürlich presste Selene die Schenkel zusammen.
„Also, willst du mich bestrafen, indem du mich den ganzen Tag auf der Türschwelle stehen lässt?“
Woher wusste er, dass sie ihn schon bemerkt hatte? „Da du meinst, dass du Bestrafung verdient hast, scheinst du dich für den Grund meiner schlaflosen Nacht zu halten.“
„Jedenfalls warst du der Grund für meine.“ Die Sinnlichkeit in seiner Stimme ließ Selenes Knie weich werden. „Allerdings hätte ich überhaupt nichts dagegen, wenn du mich ein bisschen bestrafst. Tatsächlich gefällt mir der Gedanke sogar ziemlich! Aber nur, wenn du mir die Lektion persönlich erteilst. Komm schon, mach die Tür auf, meine Schöne, meine kala mou .“
Gott, dieser Mann redete mit Teufelszungen! Wie sollte sie ihm bloß ihre Entscheidung mitteilen? Am besten, sie bat ihn einfach herein und brachte es hinter sich.
Und da stand er. Überwältigend wie immer. Nur dass er diesmal eine Frau bei sich hatte.
Irritiert sah Selene zwischen den beiden hin und her.
Aris lächelte sie betörend an und sagte: „Selene, das hier ist Caliope.“
Verwirrt musterte Selene die atemberaubend schöne junge Frau, die anscheinend ein paar Jahre jünger war als sie selbst und sich bei Aris eingehakt hatte.
Sie war etwa so groß wie Selene, aber deutlich kurvenreicher gebaut. Ihre makellose Haut war sonnengebräunt, und ihr langes Haar glänzte wie flüssige Bronze. Ihre Augen leuchteten in strahlendem Blau.
Verunsichert nickte Selene ihr zu. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen oder denken sollte. Die Fremde ließ Aris’ Arm los und streckte eine Hand aus, während sie Selene neugierig beäugte. „Du bist also die Mutter von Aris’ Sohn!?“, sagte sie schließlich. „Unfassbar.“
Selene sah Aris überrascht an. Er hatte mit jemandem über Alex gesprochen? Wer war diese Frau?
Wieder einmal schien er ihre Gedanken gelesen zu haben, denn er sagte beruhigend: „Keine Sorge, bei Caliope ist unser Geheimnis bestens aufgehoben. Meine Schwester ist verschwiegen wie ein Grab.“
Seine Schwester?
„Da Eleni heute nicht kommt, dachte ich, Caliope passt auf Alex auf, und wir beide machen uns einen schönen Tag.“
„Einen … schönen Tag?“, wiederholte Selene, die inzwischen überhaupt nicht mehr mitkam.
Caliope verdrehte die Augen. „Du hattest keine Ahnung, oder? Hätte ich mir denken können, dass er mal wieder mit der Tür ins Haus fällt.“
Aris warf seiner Schwester einen spöttischen Blick zu. „Falls ich mich recht erinnere, hast du dich einfach in mein Auto gesetzt und gefordert, dass ich dich mitnehme, nachdem ich dir von Alex erzählt habe.“
„Was hast du denn erwartet? Wenn mir mein großer Bruder erzählt, dass ich einen zehn Monate alten Neffen habe, werd ich ja wohl neugierig sein dürfen! Vorher wusste ich ja nicht mal, dass du menschlich genug bist, um dich fortzupflanzen!“ Sie warf Aris einen herausfordernden Blick zu, den er mit gehobenen Brauen erwiderte.
„Ist ja interessant, was meine sogenannte ‚Familie‘ so von mir hält.“
„Du weißt genau, dass wir dich lieben, obwohl du …“ Caliope unterbrach sich und schnitt eine Grimasse. „Ach, am besten halte ich jetzt einfach
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