Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
gemietet. Er wohnt hier schon seit vier Jahren.“
„Also bist du zu ihm gezogen?“
„Kommst du jetzt bitte mal auf den Punkt?“ Langsam war sie genervt.
„Alle Möbel hier tragen eindeutig die Handschrift von Josh, nicht deine. Du stehst nicht auf Glas. Schon gar nicht auf Schwarzes. Ebenso wenig auf Leder, Satinbettwäsche, Hochglanzkeramik, das ganze edle Zeug, das einen hier an jeder Ecke anstarrt. Das ist viel zu kalt und blank für dich. Genauso wie Josh viel zu kalt und blank für dich ist.“
Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie fühlte sich unwohl berührt, sauer über sein vorschnelles Urteil, aber auch interessiert an seiner Meinung. Jedoch beschied sie sich mit folgender Äußerung: „Du wirst deine Meinung Josh betreffend schon noch ändern. Und wenn nicht, tust du eben einfach so. Du musst ja nicht sein bester Kumpel werden, aber ein zivilisiertes Gespräch solltet ihr schon noch auf die Reihe bringen.“ Würde er sich mit dieser Antwort zufriedengeben?
Ein schelmisches, nicht gänzlich ermutigendes Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus. „Wir werden sehen.“ Besser würde sie im Moment wohl nicht aus diesem Gespräch herauskommen, also wechselte sie das Thema. „Wollen wir was essen gehen? Ich könnte was vertragen und unser Kühlschrank gibt leider nichts Essbares her.“
„Ja sicher. Gönnen wir deinem schwer arbeitenden Freund ein wenig Privatsphäre und Ruhe.“
Sie pfählte ihn mit ihrem Blick. Es war offensichtlich, dass Nick nicht im Geringsten an Joshs Befinden interessiert war, sondern sich nur über ihn lustig machte. „Hast du dir diese Art im Laufe der Jahre angewöhnt? Du warst doch früher nie so … feindselig und … gemein?“
Nikolaj sah sie mit geneigtem Kopf an, dann zwinkerte er ihr frech zu. „War ich nicht? Hmmm … vielleicht ist es dir nur entgangen, weil ich dir gegenüber nie feindselig und gemein gewesen bin.“ Seinen Worten lag mehr zugrunde als bloßer Sarkasmus.
Sie seufzte, bedeutete ihm mit einem Nicken zu warten und eilte in Joshs Büro, um ihm zu sagen, dass sie mit Nikolaj etwas essen ging. Er war alles andere als erfreut und bedachte sie mit eisiger Gleichgültigkeit, was, wie sie inzwischen wusste, auf in ihm brodelnden Ärger hinwies.
Niedergeschlagen eilte sie zurück in den Flur, griff sich ihren Mantel von der Garderobe, stopfte ihr Portemonnaie in eine Handtasche, hakte sich bei Nick unter und zog ihn zur Tür. „Komm, lass uns gehen. Ich hab Hunger.“
***
Nicht lange später traten sie gemeinsam in die wohlige Wärme des Bistros ein paar Straßenecken weiter ein und nahmen auf dunklen Korbstühlen etwas abseits Platz. Fröhliche Radiomusik und angeregtes Stimmengewirr erfüllte den Raum.
Gwen studierte gerade ausgiebig die Speisekarte, als sie bemerkte, dass Nikolaj sie über den Rand seiner eigenen Karte hinweg beobachtete. „Was ist?“
Er lächelte. „Du beißt dir immer noch auf die Unterlippe, wenn du krampfhaft über etwas nachdenkst oder eine Entscheidung treffen musst. Das hast du früher schon immer gemacht. Als ich versucht habe, dich zu einem kleinen Abenteuertrip zu überreden zum Beispiel. Ich hatte schon Angst bekommen, dass der Zahnabdruck niemals wieder ganz weggehen würde. So lange hast du deine Lippe malträtiert.“
Sie grinste ihn an. „Wirklich? Das ist mir nie aufgefallen. Hmmm … ja, an diesen Ausflug raus aus der Stadt kann ich mich allerdings noch gut erinnern. Ich habe eine gehörige Standpauke von meinen Eltern bekommen, weil ich nicht gesagt habe, wo ich hingehe, so spät nach Hause gekommen und dazu getrampt bin. Und natürlich, weil ich mit dir zusammen gewesen bin.“
Er lachte mit einer verbitterten Nuance. „Ich wage zu behaupten, dass die ersten drei Punkte zusammengefasst immer noch nur halb so schlimm waren, wie der letzte Punkt für sich allein.“
„Wahrscheinlich … sie dachten eben ernsthaft, dass es gefährlich für mich wäre, mit dir zusammen zu sein. Hast du eine Ahnung, was sie auf diesen überspitzten Gedanken gebracht haben könnte?“
Die helle Stimme der Bedienung zerschnitt die im Raum schwebende Frage. „Haben Sie schon gewählt? Was darf ich Ihnen bringen?“ Überrumpelt vom Auftauchen der Kellnerin stierte Gwen hastig zurück in die Karte.
„Ich glaube, wir brauchen noch einen Moment“, ließ Nikolaj in Richtung der Bedienung verlauten.
„Nein! Nein, ich hab´s gleich … eine Sekunde noch …“ Rasch überflog sie die Gerichte
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