Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
nochmals. Sie hasste es Entscheidungen zu treffen, vor allem unter Zeitdruck oder – in diesem Fall sogar und – unter Beobachtung. Weniger der Entscheidung und „Endgültigkeit“ wegen, sondern mehr des Entscheidens und Wählens an sich. Zum Glück war Unentschlossenheit und Überforderung kein flächendeckendes und übergreifendes Problem in ihrem Leben. Ihre Arbeit im Krankenhaus war nicht davon in Mitleidenschaft gezogen. Wenn sie jedes Mal Schwierigkeiten damit hätte, sich zwischen der richtigen Medikation, Behandlung oder dem günstigsten Eingriff zu entscheiden, hätte sie ihren Job als Ärztin gleich wieder an den Nagel hängen können. Hier ging es um Sekunden, die zwischen Genesung und bleibendem Schaden, zwischen Leben und Tod entschieden.
„Ähm, ich hätte bitte gerne den Salat mit Lachs, ein Baguette dazu und eine Apfelsaftschorle.“ Erleichtert legte sie die Karte beiseite und wartete Nikolajs Bestellung ab.
„Für mich bitte einmal die mediterrane Pasta und ein Pils“, gab dieser von sich.
Sie verzog unwillkürlich das Gesicht. Fisch aß sie furchtbar gerne, aber diesen teils sehr unansehnlichen Mix aus Meeresfrüchten – mit ganz besonderem Augenmerk auf den Muscheln – konnte sie absolut nicht ausstehen.
Die Bedienung notierte alles auf ihrem Block und eilte davon.
Gwen bemühte sich den Faden ihres Gesprächs wieder aufzunehmen. „Also? Hast du eine Ahnung, warum meine Eltern so versessen darauf waren, mich von dir fern zu halten?“
„Du willst darauf wirklich eine Antwort?“
Sie stutzte. „Sonst würde ich wohl kaum fragen, oder? Hast du etwa eine Antwort darauf?“
„Ich habe eine Menge Antworten. Ich weiß nur nicht, ob es gut ist, sie dir alle zu geben. Und dass das hier der richtige Ort ist“, er warf einen raschen Blick rundherum, „wage ich gleich doppelt zu bezweifeln.“
Versuchte er nun schon wieder sie zu bevormunden? „Es spielt keine Rolle, ob du glaubst, hier sei nicht
der richtige Ort
! So ein Quatsch! Willst du mich schon wieder wie ein Kind behandeln? Nick, ich schwör dir: Wenn mein Salat kommt, pfeffre ich dir das ganze Grünzeug samt Dressing über den Schoss! Und so ein Honig-Senf-Dressing geht bestimmt nur schwer wieder raus.“
Er hob ergeben die Hände und erwiderte mit einem gespielt erschrockenen Ausdruck im Gesicht: „Bitte nicht. Die Jeans und das Shirt habe ich gerade erst frisch angezogen. Waschen und Bügeln gehört nicht unbedingt zu meiner liebsten Freizeitbeschäftigung.“
Sie lief puterrot an.
Er lächelte beschwichtigend und ließ sich lässig in den Stuhl zurückfallen. „Schon gut. Aber vorher bist du mir noch ein Versprechen schuldig. Du weißt schon: unser Deal. Danach kannst du selbst entscheiden, ob du die Antworten hören willst. Bis dahin, sag ich kein Wort.“
„
Unser
Deal? Hab ich mich gerade verhört? Das ist DEIN Deal, den du mir so einfach vor die Nase geklatscht hast! Aber von mir aus … auch wenn ich keine Ahnung habe, was das soll oder was du damit bezwecken willst. Ich verspreche es dir. Bist du jetzt zufrieden?“
Er sah sie durchdringend an. „Was genau versprichst du mir?“
Sie zählte leise bis fünf, ehe sie zwischen den Zähnen hervorquetschte: „Ich verspreche dir, dass ich es sage, wenn du mir nicht mehr gut tust. Was zur Hölle du auch immer damit meinst.“
Sein Lächeln wirkte triumphierend, als auch niedergeschlagen.
Die Kellnerin kam zurück und stellte ihre Getränke ab. Gwen schielte verschwörerisch zu ihrer Apfelschorle, beschied sich aber doch mit der erneuten Frage an Nick. „Also?“
Er nahm einen Schluck von seinem Pils, beugte sich näher zu ihr hervor ehe er mit fester, jedoch leiserer Stimme, antwortete: „Ich will es mal so sagen. Du warst scheinbar die Einzige, der die Tatsache, dass ich womöglich nicht nur ein harmloser Junge im Teenageralter gewesen bin, nicht aufgefallen ist. Oder … du hast es schon wahrgenommen, aber es hat dir nichts ausgemacht. Möglicherweise war keines von beidem eine kluge Reaktion …“
Sie verstand kein Wort.
„Kannst du dich noch an unsere erste Begegnung erinnern?“
„Natürlich, auf dem Spielplatz.“
„Ich hab mich nicht wie ein typischer Raufbold oder dergleichen aufgeführt um die Gören in die Flucht zu schlagen, oder? Ich hab eigentlich gar nichts „gemacht“. Trotzdem haben sie hektisch die Flucht ergriffen. Weißt du noch warum?“
Sie zog die Stirn in Falten, verstand nicht vorauf er hinaus wollte. „Ja, weil
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